Die sieben Häupter
herbei.
»Sagt mir nur, wie man es einsetzt, und ihr beide könnt gehen.« Thaddäus zog sich zur Tür zurück.
Tränenüberströmt beugte sich Ethlind über Matteo. Damals hätte sie es nicht für möglich gehalten, aber sein Gesicht sah nach Wochen des Leids und des Hungers noch ausgemergelter aus als zu jener Zeit, da sie ihn gepflegt hatte. Trotzdem hatte es nichts von jener seltsamen Anziehungskraft verloren, der Ethlind damals schon auf den ersten Blick erlegen war.
»Wer seid Ihr«, stöhnte er. Seine Worte versetzten Ethlind einen Stich. Dummerchen, schalt sie sich, er hat mich doch kaum gesehen.
»Kennt Ihr mich nicht mehr? Ich bin Ethlind, Eure Ethlind,die Euch damals gepflegt hat! Oh, Matteo, wie hat man Euch nur mitgespielt!«
Matteo hob die Lider und musterte sie. »Bist du ein Trugbild, oder erinnere ich mich wirklich an dein Gesicht?«
»Ich bin es wirklich! Ihr hattet mir befohlen, das Futter Eures Mantels zu öffnen, weil darin ein Säckchen eingenäht war, erinnert Ihr Euch, unter dem Ärmel!«
»Und du hast es nicht versteckt, sondern zu diesem Pfaffen gebracht.« Verbittert schloß Matteo wieder die Augen.
»Aber nein! Mein Versteck war gut, Ihr müßt mir glauben!«
»Dann warst du ungeschickt!« ächzte Matteo böse. Ethlind senkte den Kopf und kämpfte vergeblich gegen neue Tränen an.
»Alles kann noch gut werden«, stieß sie hervor. »Vater Thaddäus … er hat versprochen … den Drachensamen hat er sowieso …«
Matteo seufzte tief. Man sah es ihm an, wie sehr er sich danach sehnte, endlich in Ruhe gelassen zu werden. »Ich kann meinen Herrn nicht verraten.«
»Und er? Er hat Euch verraten, daß er Euch hier so sitzenläßt!«
»Sage nichts gegen meinen Herrn!« Matteo bäumte sich auf. In seinen Augen blitzte es. Aber Ethlind ließ sich davon nicht abschrecken. Sie spürte kalte Wut in sich aufsteigen.
»Ich«, schrie sie und wischte sich die verklebten Haare aus dem Gesicht, »ich habe alles getan, um Euch zu retten! Vom ersten Augenblick an, in dem ich Euch im Graben gefunden habe, zerschlagen und halbtot! Gegen den Willen meines Vaters habe ich Euch in unsere Hütte gebracht. Gott im Himmel, ich hätte Euer Säcklein gleich zum Schultheiß bringen können, was wäre mir da erspart geblieben! Statt dessen pflegte ich Euch, statt dessen habe ich es verborgen, wie Ihr befohlenhabt, daran erinnert Ihr Euch doch wohl noch, und als man Euch geholt hat, da habe ich versucht, Euch zu befreien, und glaubt mir, dabei habe ich mein Leben, ja, mein Leben aufs Spiel gesetzt und nicht nur einmal! Und jetzt kommt Ihr mir mit Eurem Herren, der hat sich nicht blicken lassen, ich kenne noch nicht einmal seinen Namen! Ihr könnt hier ja gern verrecken, aber ich würde lieber mit Euch hinausgehen aus dieser Tür dort, und bei Gott wäre das für uns beide besser, als wie es uns gerade geht! Sagt Vater Thaddäus doch einfach, was er wissen will!«
»Ich kann meinen Herrn nicht verraten«, wiederholte Matteo stur.
»Holzkopf, Ihr würdet ihn nicht einmal verraten! Ihr solltet ihm doch wohl nur das Säcklein bringen, oder? Das hat der Vater aber schon!«
Matteo quittierte die dargebotene Ausrede nur mit einem abfälligen Lächeln.
»Ist das denn so schwer?« heulte Ethlind auf. »Nun sprecht mit dem Vater! Herrgott, versteht doch, wir könnten frei sein, alle beide, und ich werde eine treue Begleiterin sein, treuer als Euer ach so geliebter Herr allemal!«
»Du würdest also mitkommen.«
»Glaubt Ihr im Ernst, daß ich Euch noch einmal aus den Augen lasse? Selbst wenn Ihr schweigt, bleibe ich bei Euch, ganz gleich, was dann mit Euch geschehen wird!« Sie machte eine Pause und holte Luft. Als sie fortfuhr, sprach sie mit langsamer und weicher Stimme. »Bedenkt doch, wir werden über blühende Felder fahren, weit weg von all den Herren hier, vielleicht könntet Ihr sogar ein Handelskontor irgendwo eröffnen, nein, lacht nicht, mit Eurer Erfahrung! Und wenn nicht, wir werden etwas finden, das Leben steht uns offen! Denkt doch nur an die Sonne, Ihr müßt ja schon vergessen haben, wie sie das Gesicht wärmt und wie der Frühlingswindduftet! Herrlich wird es sein! Hat man sie Euch ausgeprügelt, die Erinnerung an all die Wunder aus fremden Ländern ausgelöscht, von denen Ihr im Fieber erzählt habt? Stoff, der glänzt wie Libellenflügel? Die Pracht dieses Cathay? Hat man Euch also kleingekriegt?« Sie packte Matteo an den Schultern und zwang ihn, sich aufzurichten. »Jetzt sprecht
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