Die sieben Häupter
sie sich ein. Vater Thaddäus sprach weiter, immer noch in diesem Tonfall, der Trost versprach.
»Matteo ist sein Name, habe ich erfahren. Er ist dem Tode näher als dem Leben, Frau Ethlind. Es ist an der Zeit, daß Ihr ihn holt.«
Ethlind konnte nicht anders, sie hob den Kopf und warf Thaddäus einen verwirrten Blick zu. Der Mönch erhob sich und trat einen Schritt zurück. Der Weg zur Tür war frei. Mit etwas Glück … Aber nicht mit einem kaputten Bein, dachte sie.
»Ich sehe, es zieht Euch hinaus. Ihr könnt gehen, wann es Euch beliebt. Es gibt keinen Grund für mich, Euch hier festzuhalten – Herr Ludger von Repgow hatte zweifellos unrecht, ein stolzes Mädchen wie Euch zu verdächtigen. Hier meine Hand, ich helfe Euch auf.«
Ethlind musterte den Benediktiner voller Mißtrauen. Ohnehin befand sie sich in seiner Gewalt. Wenn er ein Spiel mit ihr spielen wollte, dann konnte sie ihn nicht daran hindern. Ächzend richtete sie sich auf.
»Ich werde Euch zu einem kundigen Heiler bringen, und bald werdet Ihr wieder laufen können. Kommt, gehen wir.«
Als sie behutsam auf die Tür zuhumpelte, Thaddäus ihr sogar einen Stock als Krücke reichte, spürte sie, wie ihre Anspannung wuchs. Das ist eine Falle, ging es ihr durch den Kopf. Und ich kann nichts dagegen tun.
Kurz vor der Tür blieb der Mönch stehen. Sein Griff war plötzlich hart. Ethlinds Herz tat einen Sprung.
»Ihr könnt aber auch diesen Matteo mitnehmen, in die Freiheit. Ich kann ihn aus dem Siechhaus holen und euch beide in die Obhut eines Kundigen geben, der ihm das Leben retten wird. Wünscht Ihr das?«
Das Nicken kam, bevor Ethlind Zeit für Zweifel an der Redlichkeit seiner Worte hatte.
»Gut. Es wird nicht einfach werden, schließlich muß ich dem Kloster Nienburg einen seiner Pfleglinge abschwatzen. Dafür muß ich leider etwas verlangen, mein Täubchen.«
Ethlind sackte zusammen. Sie hatte es geahnt. »Ich habe es nicht«, flüsterte sie. »Ich habe keine Ahnung, wo es ist. Das ist die Wahrheit, ich schwöre es. Ich will nur seine Freiheit.«
Ein Grinsen huschte über Thaddäus’ Gesicht.
»Nein, Ihr versteht mich falsch. Keine Bezahlung will ich. Auch sonst nichts. Nur etwas wissen. Eine kleine Beschreibung. Und die kann mir allein Euer Matteo geben. Wenn Ihr ihn überzeugt, geht er mit Euch. Das gelobe ich bei Gott, unserem Herrn.«
Thaddäus stieß die Tür auf. Das Sonnenlicht blendete Ethlind. »Entscheidet Euch: Der eine Weg führt zum Heiler, der Euch kurieren wird, und dann seid Ihr wieder das Bauernmädchen, das Ihr früher gewesen seid – vielleicht nicht ganz, gebe ich zu. Der andere Weg führt nach Kloster Nienburg, das Ihr mit Matteo gemeinsam verlassen werdet.«
»Schwört auf die Bibel«, erwiderte Ethlind.
»Das werde ich nicht tun.« Matteo drehte den Kopf zur Seite.
»Ihr wollt tatsächlich hier dahinsiechen, in diesem Kloster, das Euch so viel angetan hat?« Vater Thaddäus seufzte. Sie waren allein im Krankensaal, abgesehen von einigen schlafenden Kranken. Bis die Tür aufflog.
»Blut! Ja, da seht Ihr es, das hat man davon, einen See von Blut! Und Gebein obendrein!«
»Bleibst du da! Kaspar, dageblieben! Bitte, Herr, entschuldigt, er ist mal wieder … hierher!«
Mit Mühe bewahrte Vater Thaddäus Fassung, während ein sabbernder Alter ihm mit einem Hühnerknochen vor der Nase herumfuchtelte. Als der entsetzte Bruder Ezechiel auf Kaspar zueilte, flüchtete sich Kaspar zwischen die Betten. Das Fangenschien ihm größtes Vergnügen zu bereiten. Nicht einmal Thaddäus’ gestrenger Blick vermochte ihn zu bezähmen. Es dauerte eine ganze Weile, bis Ezechiel Kaspar aus dem Siechhaus gescheucht hatte und Ruhe einkehrte. Thaddäus wandte sich wieder Matteo zu.
»Also. Noch einmal. Ich habe, was Ihr beschaffen solltet, und es wird eher verbrennen als in andere Hände fallen. Ihr habt also ohnehin versagt. Nun könnt Ihr noch Euer Leben retten oder sterben, einen Unterschied macht das für Euren Auftrag jedenfalls nicht.«
Matteo blieb ihm die Antwort schuldig. Thaddäus hatte schon eine ganze Weile auf ihn eingeredet, ohne Erfolg, wie zu erwarten gewesen war, aber nun war das Feld bereitet.
»Wenn Ihr mir verraten würdet, wie man den Zorn des Drachen reizt, dann könntet Ihr nicht nur Euer Leben, sondern auch das einer geliebten Person retten. Zudem: Ich würde früher oder später selber herausfinden, wie man den Drachen ruft.«
Er machte eine Geste zur Tür, wo Ethlind gewartet hatte. Sie hinkte
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