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Die sieben Häupter

Die sieben Häupter

Titel: Die sieben Häupter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Belinda; Kinkel Richard; Rodik Ruben; Dübell Malachy; Wickenhäuser Mani; Hyde Tessa; Beckmann Horst; Korber Helga; Bosetzky Titus; Glaesener Rebecca; Müller Guido; Gablé Dieckmann
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Fingern. Er dachte kurz nach, dann nahm er das Gehäuse mit hinüber zu dem Balken, an dem die Tonlampe schaukelte, und schmolz den Wachspfropfen in der kleinen Flamme der Funzel. Wenige Augenblicke später rieselte eine Anzahl kleiner schwarzer Körner in seine offene Hand.
    Ludger war so verblüfft, daß er beinahe das Atmen vergaß.Schlagartig wurde er nüchtern. Auf seiner Stirn bildeten sich Schweißperlen, und seine Kehle verengte sich, als hätte er einen Pflaumenkern verschluckt. Ob dieses schwarze Zeug wohl der berüchtigte Drachensamen war, hinter dem die ganze Welt herjagte? Nein, dies war unmöglich. Vater Thaddäus hatte stets nur von einem Säckchen gesprochen, nicht von einer Kapsel aus Ton. Glaubte man den Worten des Pfaffen, so waren inzwischen sogar mehrere Säckchen im Spiel. Ludgers Hand begann leicht zu zittern, als er sich die kleinen Körner näher betrachtete. Mit klopfendem Herzen hielt er sie ins Licht und schnupperte an ihnen. Die Körner sahen tatsächlich aus wie Samen, und sie strömten einen kräftigen, beinahe harzigen Duft aus. Allmählich dämmerte es Ludger, womit er es zu tun hatte. Ähnliche Körner hatte er schon einmal gesehen. Es war vor einigen Jahren am Hof zu Meißen gewesen, als Gräfin Jutta die starken Krämpfe im Unterleib verspürt und befürchtet hatte, an ihnen sterben zu müssen.
    »Gift«, preßte er zwischen den Zähnen hervor. Ein abruptes Kichern löste den Krampf in seiner Kehle. »Ich habe das Bündel eines verdammten Giftmischers geöffnet!«
    Noch ehe Ludger einen klaren Gedanken fassen konnte, erscholl plötzlich auf der gegenüberliegenden Seite des Korridors ein kurzer, spitzer Schrei. Ludger fuhr zusammen, seine Hand schloß sich krampfhaft um die giftigen Samenkörner. Hastig blickte er sich nach einem Versteck oder einer Waffe um, mit der er sich gegebenenfalls zur Wehr setzen konnte. Eine weitere Gefangenschaft würde er nicht überstehen, das wußte er. Doch der erwartete Angriff auf seine Kammer blieb aus. Ludger wollte den Schrei soeben seiner Einbildung zuschreiben, als weiterer Lärm an sein Ohr drang. Er vernahm das Geräusch splitternden Holzes und ein Wimmern, das offensichtlich von einer Frau herrührte.
    Auf Zehenspitzen schlich er zur Tür, öffnete sie und steckteseinen Kopf in den kleinen, dunklen Flur. Dort starrte er auf halbvolle Hafersäcke, die Überreste eines bemalten Zubers, wie er in Badestuben verwendet wurde, und eine zerbrochene Heugabel, die wenige Schritte vor einer brüchigen Treppe mit vier Stufen lag. Lautes Gepolter übertönte die Stimme der Frau, und für einen Augenblick war Ludger versucht, an den Beginn einer Schlägerei zu denken, wie sie in heruntergekommenen Schenken an der Tagesordnung waren. Merkwürdig war nur, daß der Schankraum nicht in diesem Teil des Gebäudes lag. Soweit Ludger sich erinnerte … Nein, er hatte keine Ahnung mehr, wie er hinauf in die Kammer und auf sein Strohlager gekommen war. Wahrscheinlich handelte es sich hier um den Streit zwischen einer Hure und ihrem Buhlen, der den Hurenlohn herunterhandeln wollte.
    Grimmig und beruhigt zugleich, warf Ludger die Körner in die tönerne Kapsel zurück, dann ging er zu dem Kastenbett des Giftmischers und stopfte das Gehäuse zusammen mit all den anderen Gegenständen in das Bündel aus Kaninchenfell. Einen Herzschlag lang überlegte er, ob er die hübsche Laute mitgehen lassen sollte. Der Kerl, der die Sachen hier in dieser Räuberhöhle abgelegt hatte, war weder Kaufmann noch Pilger, sondern ein Strauchdieb. Vielleicht sogar ein Mörder, und es war gewiß kein Verbrechen, einen Räuber zu bestehlen. Er entschied sich dagegen. Wahrscheinlich würde er auf einem gestohlenen Instrument ohnehin nur trübe Töne zustande bringen und sein eigenes Unglück noch vermehren. Wer schnitzte sich schon freiwillig eine Pfeife aus der Schaufel eines Totengräbers?
    Ludger atmete tief durch. Er mußte auf der Stelle von hier verschwinden. Ein Nachtlager im Wald war zwar unbequem, doch unter den gegebenen Umständen sicherer als in Gesellschaft zwielichtiger Gauner und Halsabschneider. Er konnte von Glück reden, daß sie ihn bislang für harmlos erachtet und unbehelligt gelassen hatten.
    Eilig suchte er seine wenigen Habseligkeiten zusammen und verließ kurz darauf die Kammer. Mochte sich ein anderer mit dem Giftmischer herumschlagen, Ludger wollte nur noch fort, und je mehr Pferdelängen im Morgengrauen zwischen ihm und Repgow lagen, desto besser würde er sich

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