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Die sieben Häupter

Die sieben Häupter

Titel: Die sieben Häupter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Belinda; Kinkel Richard; Rodik Ruben; Dübell Malachy; Wickenhäuser Mani; Hyde Tessa; Beckmann Horst; Korber Helga; Bosetzky Titus; Glaesener Rebecca; Müller Guido; Gablé Dieckmann
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immerhin fand er noch genügend Kraft, um Vater Thaddäus, den er für seinen Zustand verantwortlich machte, voller Inbrunst zu verwünschen. Die Erinnerung an die kurze Begegnung traf ihn wie ein Pfeil. Der intrigante Pfaffe hatte ihn auf der Landstraße mit wenigen Worten zum Heimatlosen gemacht. Vermutlich hatte er sein Gift bereits bei Ludgers Onkel auf Gut Repgow versprüht und befand sich nun auf dem Weg nach Anhalt, um auch noch dem Grafen Heinrich von Ludgers Abenteuer mit Irmgard zu berichten.
    Ludger konnte nicht zurückkehren, ohne seinem Onkel Schande zu bereiten. Nie wieder. Der Graf würde Thaddäus glauben, ihn selber aber in Ketten schmieden lassen. Demzufolge war ihm das Beil des Henkers schon recht gewiß, und daran änderte auch die Tatsache wenig, daß er für Irmgard seit langem schon weder Leidenschaft noch Zuneigung empfand. Sie, die kühle Schönheit, war wie ein Gespenst durch sein Leben gegeistert. Ein Trugbild von Glück und Minne, das sich als unhaltbar und völlig lebensfern erwiesen hatte.
    Aber da war noch eine andere Leidenschaft, die in seinemInnern glühte: ein Gefühl, das ihn nicht minder erschreckte, weil es ihm absurd und widernatürlich vorkam. In all den Jahren hatte er stets nur Frauen verehrt. Zwang er sich nun aber zuzugeben, wer ihn in seinen Träumen so oft heimsuchte, war es vielleicht sogar besser, dem Zorn des Grafen nicht länger auszuweichen.
    Langsam ließ Ludger sich auf dem wackeligen Lager des unbekannten Reisenden nieder und nahm zögernd dessen Bündel in die Hand. Die Habseligkeiten seines Zimmernachbarn steckten in einer Decke aus sauber aneinandergehefteten Kaninchenfellen. Diese rochen ein wenig streng: nach ranzigem Öl, vermischt mit Tonerde und irgendwelchen Kräutern. Einen schmerzlichen Moment lang erinnerte ihn der Geruch an Petrissas Stube und die Arzneien, mit denen sie seine Wunde behandelt hatte. Ludger zwang sich, auch diese Gedanken zu verscheuchen, statt dessen wandte er sich vorsichtig dem Griff des Instruments zu. Wie er an den Kerben und Verzierungen zu erkennen glaubte, war das gute Stück weder sächsischen noch slawischen Ursprungs. Es gehörte unzweifelhaft zu den Instrumenten, welche französische Minnesänger als »still« bezeichneten und in den Hallen und Sälen von Burgen erklingen ließen, um ausdrucksvollen Gesang zu begleiten. Trompeten, Schalmeien, Sackpfeifen und Trommeln galten demgegenüber als »stark«; mit ihrer Hilfe spielte man im Freien zum Tanz auf. Ludger überkam plötzlich der unbändige Drang, das fremde Bündel zu öffnen. Unbeherrscht zerrte er an den Schnüren, als habe er die Büchse der Pandora vor sich auf dem Schoß. Zu lange schon hatte er keine Laute mehr in der Hand gehalten. Auch auf die Gefahr hin, daß man ihn hier überraschte und als vermeintlichen Dieb aus dem Haus prügelte – er mußte dem Instrument ein paar Töne entlocken.
    Als er schließlich das kühle Holz der Laute streichelte unddie Saiten mit seinen Fingerkuppen berührte, spürte er unvermittelt, wie Gefühle von Trauer, Verzweiflung, Wärme und Glückseligkeit in seiner Brust anschwollen. Er drehte an den kleinen Wirbeln, um die Töne melodischer zu gestalten. Es war wie ein Zauber. Eine Sehnsucht. Ein Rausch gar, der stärker auf ihn wirkte als der billige Wein des Schankwirts und dem er sich weder entziehen konnte noch wollte. Ein Mann, der nicht mehr wußte, wer er war, mußte sich entscheiden, was er in Zukunft sein wollte. Er, Ludger, war ein Minnesänger und würde bis zum letzten Herzschlag eine Melodie auf den Lippen tragen.
    Während Ludger noch einzelne Töne anschlug und sich bemühte, einen Vers zu formen, der zu seiner Stimmung paßte, fiel sein Blick wie zufällig auf die wenigen Gegenstände aus dem Bündel, die verstreut um ihn herumlagen. Er hatte sie achtlos auf die Strohschütte geworfen, nun aber weckten auch sie seine Aufmerksamkeit. Er fand einige mit Wachs verstopfte Tonkapseln, einen Beutel mit vier Münzen, einen bronzenen Kerzenhalter in Form eines gehörnten Kopfes, drei gute Wamse und zwei Frauenröcke aus billiger gefärbter Wolle. Die Kleidungsstücke waren von unterschiedlicher Größe und Qualität und wirkten auf Ludger nicht gerade wie Handelsware. Eher konnte er sich vorstellen, daß sie gestohlen und hier in der Kammer versteckt worden waren.
    Ludger ließ die Laute sinken und griff nach einer der sonderbaren länglichen Kapseln. Sie wog schwer in seiner Hand. Mißtrauisch drehte er sie zwischen den

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