Die sieben Häupter
sich wie wild zwischen den Beinen … aaaah. Er schloß verzückt die Augen, als das Jucken nachließ. Die Brüder um ihn herum, deren wispernde Gebete in die Abendluft dieser Vespermesse stiegen, beobachteten ihn argwöhnisch. Bernhard hätte ihnen gern das Grinsen gezeigt, das er für gewöhnlich denjenigen Leuten schenkte, zwischen deren Rippen sich das vordere Drittel seiner Klinge verfangen hatte, aber er hielt sich zurück. Nicht auffallen war die Losung; nicht auffallen, den beschränkten Klosterbruder aus einem anderen Konvent spielen, in Ruhe gelassen werden, alle Neuigkeiten aufsaugen, die er erhaschen konnte, und diese Rolle durchhalten, bis ihm klargeworden war, wo zum Teufel Roswitha geblieben war (wenn man ihre Verkleidung nicht durchschaut und sie eingekerkert hatte) und ob Matteo, dieser italienische Tor, ebenfalls hier war (und ebenfalls eingekerkert); und wo um alles in der Welt sich das Säckchen mit dem Drachensamen befand.
Das Durchhalten war das Problem.
Und da fing das Jucken auch schon wieder an.
Als Bernhard sich gestern mittag hinter dem Busch aufgerichtet, dem Mönch, der arglos an seinem Versteck vorbeischlenderte, den Schwertknauf über den Schädel gezogen und sich seine Beute dann genauer angesehen hatte, hätte er sich am liebsten selbst in den Hintern gebissen. Eine Heerscharvon Betbrüdern stahl dort hinter den Mauern Nienburgs dem Herrn den Tag, und er hatte den einen erwischt, in dessen Kutte mehr Viehzeug hauste als in der Wolle einer ganzen Hammelherde. Sein sprichwörtliches Pech. Wann immer er etwas anfaßte, irgendeine ärgerliche Kleinigkeit ging garantiert schief, und dann wunderten die Leute sich, wenn er in regelmäßigen Abständen aus der Haut fuhr.
Auf dem Besitz Konrads von Eichholz war es nicht anders gewesen. Statt das kleine Gut an sich zu bringen, einen seiner Männer dort zu postieren, durch regelmäßige Kontrollen dafür zu sorgen, daß dieser die Abgaben der Pächter nicht veruntreute, und ansonsten auf neue Abenteuer auszuziehen, war er auf Roswitha gestoßen; und statt, wie es ursprünglich der Plan gewesen war, die appetitliche junge Witwe ein paar Tage zur eigenen Befriedigung zu gebrauchen und sie dann ins Kloster abzuschieben, teilte sie nun schon seit zwei Jahren sein Bett. Mehr als das Bett, wenn man ehrlich war – ein Teil seiner Seele gehörte ihr mittlerweile ebenfalls. Irgendwie hatte sich das kleine Täubchen an ihn herangeschlichen in diesen zwei Jahren, und Bernhard ertappte sich in den letzten Tagen immer wieder dabei, daß er sie vermißte. Wenn er irgendwo eine Stalldirne rammelte, dachte er an Roswitha und wie leidenschaftlich sie sich im Bett gebärdete und wie sie seine Liebeskünste genoß, während die Kuh, die er sich vornahm, noch nicht einmal stöhnte (es sei denn, er kniff sie in den Hintern – doch dann quiekte sie in der Regel und fuhr auf, und es bestand die Gefahr, daß ihm abgerissen wurde, wovon er sich bis unter ihren Rock hatte leiten lassen).
Bernhard kratzte sich erneut unter der Kutte. Zum Teufel damit, mochten die anderen denken, er spielte während der Messe mit seinem kleinen Freund, das Jucken war einfach zu stark. Er hoffte, daß er den Mönch, den er nackt und gefesselt im Wald zurückgelassen hatte, versehentlich in einem Ameisenhaufenniedergelegt hatte. Er hatte einmal die Geschichte des Benedikt von Aniane gehört, der die Unsauberkeit als willkommene Prüfung betrachtet und so lange nichts gegen die Läuse unternommen hatte, bis sie ihn auffraßen. Er hatte die Geschichte nicht geglaubt – damals.
Die Stelle hier war besonders schlimm … Bernhard spürte die Feuchtigkeit von Blut, aber er konnte nicht aufhören. Herrlich – jeder Schmerz war willkommener als das Jucken.
»Ite, missa est!« rief der Vorbeter. Die Mönche richteten sich von den Knien auf. Bernhard folgte ihnen nach einer Schrecksekunde und schlurfte mit ihnen hinaus. Der Verrückte namens Kaspar begann herumzubrüllen und seinen Hühnerknochen zu schwenken, bis man ihn zum Schweigen brachte. Bernhard schloß die Augen. Das war alles, was er zustande gebracht hatte, seit er gestern des Wartens auf Roswithas Rückkehr überdrüssig geworden war und sich ins Kloster geschmuggelt hatte: Er hatte herausgefunden, wie der Verrückte hieß, und sich die bissigsten Filzläuse seit Johannes dem Täufer eingefangen.
Er hörte die Mönche besorgt flüstern. Abt Gernot war auch zu dieser Messe nicht erschienen. Das Kloster war ohne Führung; der
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