Die sieben Häupter
heran, zupfte ihm den Hühnerknochen aus den reglosen Fingern und verbarg ihn in der Faust. Kaspar sah auf, stierte blödsinnig um sich und verfiel wieder in Trübsinn.
»Geht das nicht schneller, ihr Klageweiber?« rief der Anführer der Bewaffneten. »Hopp, hopp, rein ins Haus, sonst machen wir euch Beine!«
Die ersten Mönche stolperten in den Eingang des Kapitelhauses. Der Prior stand linkisch vor Graf Heinrich und versuchte einen Einwand vorzubringen. Heinrich ignorierte ihn. Er hörte einem anderen Mönch zu, dessen Bart zerzaust war und dessen Gesicht aussah wie ein nackter geröteter Arsch. Bernhard kniff die Augen zusammen und stellte fest, daß die Augenbrauen und Stirnhaare des Mannes versengt waren und von seinem Bart nur mehr ein Flaum übrig war. Unwillkürlich fuhr Bernhard mit der Hand in sein eigenes, ungewohnt nacktes Gesicht. Der Kerl unterschied sich in der Kleidung von den Mönchen, also war auch er nicht von hier. Ein Spion Graf Heinrichs? Aber was war hier für den Anhaltiner noch zu holen, nach seinem Übergriff auf den Abt? Ganz klar: der Drachensamen! Roswitha hatte doch gesagt, daß noch eine Partei hinter dem Schatz her war – doch daß es nicht nur der vertrottelte alte Repgow, sondern dessen mächtiger Freund und Gönner war, machte die Sache nicht einfacher. Heilige …!
»Was ist mir dir, du Einfaltspinsel?« brüllte jemand Bernhard an. »Brauchst du eine Aufmunterung?«
Bernhard spürte einen Tritt in seinen Hintern. Er fuhr herum, die Fäuste erhoben, der Bewaffnete hinter ihm zuckte erschrocken zurück … und Bernhard schrie: »Blut, Blut, o BLUUUUUUUUT!« und begann wild über den Hof zu springen.
Die drei Männer beim Tor starrten zu ihm herüber. Spieße hoben sich, und einer der Anhaltiner, der tatsächlich eine verteufelte Armbrust trug, senkte sie und stellte den Fuß in dieGabel, um das Ding zu spannen. Der Prior begann mit Händen und Füßen zu erklären. Bernhard schwenkte den Hühnerknochen und kreischte, was das Zeug hielt. Er sah Graf Heinrich lächeln und den Kopf schütteln. Die Männer entspannten sich; ein paar machten sich lachend daran, ihn einzufangen. Nur der versengte Mönch machte ein mißtrauisches Gesicht und ließ Bernhard nicht aus den Augen.
Verdammter Bastard, dachte Bernhard und schlug unvermutete Haken, als einer der Verfolger nach ihm griff. Er wäre in seinem Leben nicht so lange unversehrt geblieben, wenn er nicht stets sehr schnell erkannt hätte, wo ein ernst zu nehmender Gegner war.
Graf Heinrich nahm den Versengten am Arm und führte ihn zum Eingang des Kapitelhauses. Es galt, sie nicht aus den Augen zu verlieren.
Bernhard blieb stehen und hob den Knochen hoch über seinen Kopf.
»BLUUUUUUUT …!« schrie er, dann packten sie ihn.
Er durfte den Knochen behalten und mußte nur ein paar harmlose Knüffe ertragen, für die er sich bedankte. Schließlich griff ihn einer am Vorderteil der Kutte und zerrte ihn grinsend hinter sich her, während die anderen ihre Plätze auf dem Hof einnahmen. Bernhard begann etwas zu murmeln, was sich in seinen Ohren wie Latein anhörte und was er den Priestern während langer leidvoller Meßbesuche abgelauscht hatte. Zwei Männer in Schwarz-Gold liefen an ihnen vorbei zum Tor, und er hörte sie schon von weitem rufen: »Holt sie rein, der Herr braucht sie!«. Dann war er mit seinem Begleiter im dunklen Eingang des Kapitelhauses verschwunden.
Die Vorhalle war leer. Der Bewaffnete zog ihn zu einer offenstehenden Pforte, die gegenüber dem Eingang lag. Eine große Halle schloß sich an, mit Steinbänken und wuchtigen Säulen – der Konversenchor, wenn Bernhard sich richtig andie Architektur der Benediktiner erinnerte. Von rechts, durch eine weitere offene Pforte, waren die Stimmen Graf Heinrichs und des versengten Mönchs zu hören. Bernhard hatte eine vage Ahnung, daß dort der Kreuzgang lag. Er pflanzte die Füße auf den Boden, als sein Führer ihn durch die Halle davonzerren wollte.
»Na, wirst du wohl …«, begann der Bewaffnete und drehte sich grinsend zu Bernhard um. Bernhard trat zu.
Gerade hatte er den Bewußtlosen hinter eine der Steinbänke geschleift, als mehr als ein halbes Dutzend Leute in die Vorhalle platzte. Bernhard zerdrückte einen Fluch zwischen den Zähnen und duckte sich. Die Gruppe kam in den Saal und sah sich um. Stimmen hallten vom Gewölbe wider.
»Der Kreuzgang ist da drüben, ihr Trottel«, sagte einer. Sie wandten sich nach rechts. Bernhard spähte um sein Versteck
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