Die sieben Häupter
immer in einer stillen, nahezu unheimlichen Ruhe begann. Er war ein Ränkeschmied, der nicht leben konnte, ohne etwas auszuhecken. Dieser Ludger dagegen schüttelte sich wie ein junger Hund, und seine Fröhlichkeit war … nun, zumindest nicht bedrohlich. Aber sie paßte auch nicht recht zu einem Tag wie diesem, an dem sie in ein Kloster eindringen wollten, um wie schmutzige Spione Geheimnisse auszuspähen und einander anschließend zu betrügen.
»Kommt Ihr schwimmen?« rief Ludger das Ufer hinauf.
Das Wasser mußte eiskalt sein. Er wollte sie nur necken. Roswitha schüttelte den Kopf und steckte die Haare, die sich aus den Klammern gelöst hatten, fest.
»Zu viele Pläne sind unnötig«, sagte Ludger, als er den Hang erklommen hatte und wieder neben sie trat. Er bückte sich und pflückte ein wenig Klee, den er seinem Pferd unter das Maul hielt. »Ich denke, wir warten bis kurz vor Einbruch der Dunkelheit und bitten im Kloster um Obdach für die Nacht. Dann werden wir schon sehen, ob der Kranke und diese Ethlind dort sind.«
»Und wieweit wir den Töchtern des armen Dobresit beistehen können«, ergänzte Roswitha ironisch. Sie biß sich auf die Lippe. Ihre schlechte Laune machte sie leichtsinnig. Wenn man ein Spiel spielte, mußte man es mit ganzem Herzen tun. »Aber ganz gleich, wie dunkel es sein wird, wenn wir klopfen – dieser Senpekte, dieser …«
»Hagatheo«, half Ludger aus.
»Hagatheo wird uns wiedererkennen, und das könnte böse Folgen haben. Wir müssen uns etwas ausdenken.«
»Ach«, sagte er mit spöttisch verzogenen Mundwinkeln. »Und was sollte das sein?«
Grimschleben war ein ansehnlicher Ort. Roswitha ließ Nozo halten und betrachtete die gelben, mit Lehm verputzten Fachwerkhäuser, die sich um eine Kirche gruppierten. Schließlich suchte sie ein kleines aus, das etwas abseits von den anderen neben einem Tümpel lag. Das Stroh auf dem Dach sah alt und dünn aus. Die Tür schien nicht richtig zu schließen, denn sie schwang in den Angeln. Neben dem Haus paßte ein kleines Mädchen auf einen noch kleineren Bruder auf. Die beiden trugen Lumpen und waren so mager, daß ihre Gesichter den Schädeln dürrer Greise glichen. Eine Smurdenhütte, von Stinkern und Schmutzigen bewohnt – oder wie immer man diese kleinen Bauern schimpfte. Hier waren sie richtig.
Sie stieg vom Pferd, übergab Ludger die Zügel und schlenderte, ohne sich um den skeptischen Blick ihres Reisegefährten zu kümmern, auf die Hütte zu. Mit den Fingern im Mund starrten die Kleinen sie an, als sie durch das Gärtchen ging und sich unter der Tür hindurchbückte. Glücklicherweise war nur die Mutter zu Hause. Sie war damit beschäftigt, die Ziege der Familie zu melken, und so in ihr Tun versunken, daß sie den Gast zunächst gar nicht bemerkte. Sie muß an Wunder glauben, dachte Roswitha, daß sie sich an einem so schlaffen Euterabmüht. Nur wenige Tropfen spritzten in den Holzeimer. Das kleine Mädchen drängte hinter Roswitha zur Tür herein und packte mit dem schmutzigen Händchen nach ihrem Surkot.
Roswitha räusperte sich.
Es war nicht ganz einfach, der Smurdin ihr Begehren klarzumachen. Sie wollte ein Kleid kaufen. Aber natürlich gab es in dieser Hütte nur ein einziges, nämlich das, welches die Frau am Leib trug. Also konnten sie nur tauschen.
»Ich brauche dein Kleid.«
Die Frau starrte sie an.
»Dein Kleid. Wir tauschen. Du bekommst mein Wams …« Aha, die Smurdin verstand. Sie hatte genickt.
Mit tiefstem Widerwillen trennte Roswitha sich von Wams und Surkot und schlüpfte in das kratzige Wollkleid der Hausfrau, in dem es von Ungeziefer wimmelte, wie sie mit zusammengebissenen Zähnen feststellte.
»Dein Tuch.«
Sie verbarg ihre Locken unter dem schlichten Schleiertuch der Frau, das man eher als Lappen bezeichnen mußte. Dann bückte sie sich und schmierte etwas von dem Schmutz des Bodens in ihr Gesicht. Warum fragte die Frau nicht, was sie trieb? Vielleicht hielt sie sie für verrückt? Oder ihr war alles egal, solange sie nur Wams und Surkot behalten durfte, die in ihren Augen sicher ein Vermögen wert waren.
»Wenn ich zurückkomme, tausche ich die Kleider wieder gegen einen Silberpfennig ein«, sagte Roswitha.
Die Frau zuckte die Schultern. Scheinbar kannte sie sich mit Münzen nicht aus. War sie nicht nur arm, sondern auch schwachsinnig? Roswitha wandte sich zum Gehen.
»Ich gebe sie nicht mehr her, nicht für einen Silberpfennig, denn ich kann dafür dreimal soviel bekommen«, sagte die Frau,
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