Die sieben Häupter
ihrer Sprache, doch Ludger, der eine slawische Amme gehabt hatte, konnte ihnen folgen. Zwar verstand er nicht jedes Wort, erriet aber in etwa, was sie sagten.
»Los, springt ab!« rief Pribislaw.
Ludger tat es. Budiwoj fing ihn auf und bekam ihn so unglücklich am Hals zu packen, daß Ludger dachte, der Fischer wollte ihn erwürgen. Sofort wurde ein altes Bild in ihm wach: Wie Konrad von Rietzmeck ihn aus den Armen dieses wild gewordenen Bauern gerettet hatte. Aber heute war kein Konrad in der Nähe. Oder doch …? Und einem plötzlichen Impuls folgend, schrie er in den Wald: »Konrad, zu Hilfe! Ich stecke hier im Sumpf …«
Während Budiwoj Ludgers Hände hinter dem Rücken zusammenband, sprang Pribislaw vom Pferd. »Schreit nur, so laut Ihr wollt, es ist doch niemand in der Nähe.« Dann mußte er einen Augenblick nachdenken, bis er die Worte gefunden hatte, die er suchte. »Bedenkt bei allem, was Ihr tut: Wir sind aus einem gebrechlichen Stoff … Unsere Blüte muß abfallen, wenn sie glaubt, gerade erst aufgegangen zu sein.«
Ludger konnte es nicht fassen: Hartmann von Aue hier im Sumpf zwischen Köpenick und Schmöckwitz. »Wie kommt Ihr an den Mann, den Gottfried von Straßburg so über alle Maßen schätzt?« Klar und durchsichtig seien die kristallenen Worte, so war Der arme Heinrich von Gottfried gelobt worden, und Hartmann gebührten wie keinem anderen Siegerkranz und Lorbeer.
»Ich bin kein Barbar und bin kein Bauer«, erklärte ihm Pribislaw. »Kein Geringerer als Konrad II. von Meißen hat mich zum Ritter ausbilden lassen.«
Langsam begann Ludger von Repgow zu begreifen. »Nun wollt Ihr mich benutzen, um die Askanier und die Wettiner weiter gegeneinander aufzuhetzen und Euch dann, wenn zwei sich streiten, als lachender Dritter Euer angestammtes Erbe wiederzuholen?«
Pribislaw lächelte. »So ist es.«
Ludger schloß die Augen. »Und wir hatten gedacht, das Feuer sei längst ausgetreten. Nun aber glimmt es immernoch.« Was er damit meinte, waren der sogenannte Slawenaufstand des Jahres 983, ausgelöst durch die Stämme der Wilzen, und die nachfolgenden Kriegszüge und diplomatischen Aktivitäten der Askanier, des Erzbischofs von Magdeburg und des ostsächsischen Adels, denen es weithin gelungen war, die Slawen niederzuhalten, ja teilweise sogar zu versklaven. So hatten die Pommern im Jahre 1170 alle Obotriten, die während des Einfalls Heinrichs des Löwen in ihr Gebiet nach Norden geflohen waren, aufgegriffen und als Sklaven an Polen, Tschechen und Sorben verkauft.
Dies alles mußte auch Pribislaw durch den Kopf gegangen sein, als er nun sagte, es gehöre zur Geschichte, daß das Pendel mal in diese und mal in jene Richtung schwingen würde. »Und seine Feinde gegeneinander auszuspielen und Nutzen aus ihren Fehden zu ziehen ist seit Urzeiten hohe Politik, auch unter Christen selber. Was ist also verwerflich daran, wenn auch ich es tue? Der Graf von Anhalt wird denken, ich handle im Auftrag der Meißener und Markgräfin Jutta oder Markgraf Ludwig IV. von Thüringen steckten hinter allem.«
Ludger von Repgow mußte zugeben, daß das gut eingefädelt war, und fast war es so, daß er Pribislaw wegen dieses Plans bewunderte – bis ein schrecklicher Gedanke in ihm aufstieg: »Und was ist mit mir, wenn das Lösegeld aus Anhalt hier ist …?«
»Was soll dann sein? Dann könnt Ihr als freier Mann zurück nach Anhalt.«
»Obwohl ich alles weiß?«
Budiwoj winkte ab. »Das werden sich die anderen auch so zusammenreimen können. Aber keine Angst, wir werden Euch am Leben lassen, denn Ihr wißt ja noch viel mehr als das …«
Ludger konnte dem Alten nicht ganz folgen. »Wovon soll ich etwas wissen?«
»Vom Drachensamen zum Beispiel?«
Ludger war zusammengezuckt und hatte das Gefühl, im selben Augenblick rot anzulaufen und kreidebleich zu werden. »Wovon …?«
»Vom Drachensamen«, wiederholte Budiwoj. »Ihr habt im Schlaf oft davon geredet. Meine Tochter hat es gehört.«
Ludger versuchte, die Sache leichthin abzutun. »Der Drachensamen …? Ach, das ist nur eine Pflanze aus dem Fernen Osten, eine Art Wunderblume, die alle Wunden heilt.«
»Wohl Eure kaum, die Ihr gleich haben werdet, wenn Ihr weiter lügt!« Damit drückte ihm Pribislaw die Spitze seines Schwertes gegen den Kehlkopf. »Ihr habt im Schlaf gesagt, fiebernd wohl, wer den Drachensamen besitzt, kann die ganze Christenheit, ja die ganze Welt beherrschen. Was ist das also?«
»Ein Pulver«, würgte Ludger von Repgow hervor.
»Und
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