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Die sieben Häupter

Die sieben Häupter

Titel: Die sieben Häupter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Belinda; Kinkel Richard; Rodik Ruben; Dübell Malachy; Wickenhäuser Mani; Hyde Tessa; Beckmann Horst; Korber Helga; Bosetzky Titus; Glaesener Rebecca; Müller Guido; Gablé Dieckmann
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sorgte dafür, daß sie Jahr für Jahr sicher von einem Vormund zum anderen gelangten.
    Meist blieb Otto und Johann, bis der Erzbischof sie rufen ließ, eine kurze Ferienzeit auf dem Stammgut der Repgows bei Dessau, das nicht prunkvoll war und nicht luxuriös. Aber der völlige Mangel an Aufsicht und vormundschaftlicher Zucht, den sie in der Obhut des zerstreuten, stets mit seinem Gesetzeswerk beschäftigten Eike genossen, entschädigte sie für diese Mängel reichlich.
    Frei von jeglicher Bevormundung, ihres Erbfeindes Henner ledig und von den Schulstunden bei Vater Thaddäus entbunden, streiften sie für Tage, manchmal für Wochen, durch die Räume und Höfe des befestigten Gutes, gingen dem jähzornigen Hartmann dabei klug aus dem Weg, eroberten nebenbei jeden Winkel und erforschten jedes Geheimnis. Ihr fröhliches Lachen ertönte an jeder Ecke, und wenn Eike aus dem Fenster seiner Bibliothek sah, konnte er den hellblonden Schopf Ottos im Wipfel einer Eiche oder zwischen den moosbewachsenen Ruinen eines aufgegebenen Mauerstücks leuchten sehen. Wenn er einmal aufsah. Zumeist blieb er über seine Bücher gebeugt, begnügte sich mit einem Schmunzeln, wenn er die aufgeregten Knabenstimmen hörte, und blätterte eine weitere Seite um.
    Die Gräfin Irmgard pflegte nicht auf diese Reisen mitzukommen – bis zu diesem Jahr. Die Ausflucht, die sie ihremMann gegenüber für ihren Wunsch gefunden hatte, blieb ihr Geheimnis. Übergroße Sorge um das Wohlergehen der Kinder trieb sie nicht, wenn sie es auch so darstellen mochte. Das Gut Repgow selbst war es, das sie anzog, und die Hoffnung, dort vielleicht eine Nachricht über den Verbleib eines jungen Mannes zu erhalten, der sie verlassen hatte, ohne sich gehörig zu verabschieden oder ein Wort darüber zu verlieren, wohin er ging und warum.
    Niemand hätte der kühlen Frau, die nie ein Wort zuviel vor den Leuten verlor, die selten lächelte und niemals laut lachte, so leidenschaftliche Gedanken zugetraut wie die, die sie tatsächlich umtrieben. Niemand außer ihrem Beichtvater. Doch der unterstützte gerade ihre Bitte, ja, er bot sogar seine eigene Person als Begleitschutz für die Gräfin und die Kinder an. Die Gräfin, dankbar für seinen Beistand und für seinen Verzicht auf irgendwelche Vorhaltungen, fragte nicht nach dem Grund seines eigenen Interesses an dem jungen Repgow. Vater Thaddäus’ Eifer war erstaunlich, und so fanden sich denn, zur Zufriedenheit Irmgards wie Thaddäus’, alle auf dem jährlichen Zug zusammen und ritten gen Repgow, die unterschiedlichsten Hoffnungen im Herzen. Die seltsame Frau, die sie aus dem Brunnen geborgen hatten und die nun auf einer Bahre mitgeführt wurde, ohne das Bewußtsein erlangt zu haben, ließ ihrer aller Gedanken, unabhängig voneinander, nur um so mehr um die eine Frage kreisen: Wo war Ludger? Wohin war der junge Sänger so spurlos verschwunden?
    Ihrer aller Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Roswitha von Eichholz erlangte das Bewußtsein tagelang nicht wieder. Es war, als hätte sie in ihrem letzten Ruf all ihre Kräfte verbrannt, und die Mägde der Repgows, die sie pflegten, gingen mit gedämpften Stimmen und gesenkten Köpfen im Krankenzimmer aus und ein und sagten jedem, der fragte, daß sie das Schlimmste befürchteten.
    Bei den gemeinsamen Abendessen war die Stimmung oft unerklärlich gedrückt und angespannt, was der Gastgeber selbst nicht zu bemerken schien. Mit demselben methodischen Eifer, mit dem Eike von Repgow seine Rechtsgrundsätze katalogisierte, nagte er einen Wildschweinknochen ab und sprach dem Wein zu, während seine Gäste schweigend über ihrem Essen saßen, Irmgard blaß, Vater Thaddäus mit verbissenem Gesichtsausdruck. Zu gerne hätte Thaddäus seinen Männern befohlen, diese fremde Dirne aus ihrem Bett zu zerren und sie zu zwingen, ihre letzten Atemzüge dazu herzugeben, ihm zu verraten, was sie über Ludger wußte, seinen Verbleib und, möglicherweise, seinen Auftrag. Doch es ging nicht an, im Hause des Repgow eine Sterbende zu foltern. Er mußte wohl oder übel warten.
    »Ich glaube im übrigen, daß ich sie kenne«, erklärte Eike gerade und kaute an einem Flachsen herum. »Ich komme nur nicht darauf …« Er langte mit dem Finger in den Mund, um ein zwischen den Zähnen steckengebliebenes Stück Sehne herauszuziehen. Die Sehne erwies sich als hartnäckig, und Eike von Repgow sprach lange nicht weiter. Irmgard und Thaddäus, die die Köpfe ruckartig gehoben hatten, senkten sie mißmutig

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