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Die sieben Häupter

Die sieben Häupter

Titel: Die sieben Häupter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Belinda; Kinkel Richard; Rodik Ruben; Dübell Malachy; Wickenhäuser Mani; Hyde Tessa; Beckmann Horst; Korber Helga; Bosetzky Titus; Glaesener Rebecca; Müller Guido; Gablé Dieckmann
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Säckchen.« Tezlaw beugte sich vor und streckte die Hand aus. Hinter seinem Kopf sah Roswitha die Fledermäuse fliegen. Wer sagte denn, sie seien Teufelstiere? Ihr erschienen sie just wie Engel, sie war froh, ihnen zusehen zu können.
    »Zieh mich raus«, beharrte sie störrisch und hielt ihm ihre Hand hin.
    Doch Tezlaw ergriff sie nicht. Es gab einen Ruck, und Roswitha stürzte ein gutes Stück ab. Dann stoppte das Seil wieder. Sie prallte gegen die Steine und pendelte hin und her. Atemlos, mit klopfendem Herzen starrte sie nach oben. Ihre Gedanken rasten im Kreis.
    »Das Säckchen«, wiederholte Tezlaw seine Forderung nachdrücklich.
    »Ja«, keuchte sie, »ist gut, hier ist es.« Sie streckte ihm die Beute entgegen. Wenn es nicht das mit dem Pulver war, überlegte sie hastig, entstand ja kein Schaden? Oder? Oder? Machte sie einen Fehler? Eine unklare Furcht überfiel sie, als sie fühlte, wie es ihr entrissen wurde. Schon wollte sie es noch einmal festhalten, doch es entglitt ihren Fingern. Roswitha stöhnte vor quälender Unsicherheit auf. Dann schüttelte sie heftig den Kopf, wehrte ihre Zweifel ab wie Fliegen. Nur heraus hier, weg von dem Abgrund. Das Seil ruckte. Es ging aufwärts. Sie schloß die Augen.
    Deshalb sah Tezlaw die Angreifer zuerst. Es waren zwei Mönche in Kutten. Tezlaw barg den Beutel in seinem Gürtel und drehte sich gelassen um. Seine Hand fuhr zu dem Knüppel, der am Brunnen lehnte. Er ließ das Seil ohne Zögern und ohne einen Gedanken des Bedauerns los.»Seltsam«, dachte Tezlaw später. Die Dienstleute des Abtes lagen erschlagen vor ihm auf dem Boden, und er hatte die Muße gefunden, das Säckchen zu öffnen. Es war wirklich zu seltsam. Was hatte der Abt mit einem Knochen gewollt?
    Auf seiner Handfläche lagen, dürr und vergilbt, die Knöchelchen eines Fingerskeletts. Er konnte nicht lesen und schenkte daher dem Pergament keine Beachtung, das dabeilag und den Finger als Reliquie des Heiligen Vitus auswies. Es hätte ihm auch wenig gesagt.
    Er kannte weder den berühmten Heiligen, noch wußte er um dessen Fähigkeit, zu Lebzeiten Blinde zu heilen. Es wäre ihm neu gewesen, zu hören, daß die Prager, in deren Dom der Leib des Märtyrers ruhte, nicht freiwillig auf einen Teil von ihm verzichtet hatten. Und es hätte ihn beeindruckt, zu erfahren, was der Verrat eines dortigen Mönches dem blinden Abt von Niendorf wert gewesen war. Doch für einen verzweifelten Mann wie den Abt war eine Hoffnung unbezahlbar, die Hoffnung auf neues Augenlicht. Und mit seinem Gott feilschte man nicht um den Preis ihrer Erfüllung.
    Des Abtes Bote hatte eine lange, gefahrvolle Mission hinter sich, als er sich kurz vor der Heimkehr einem anschloß, der eine noch weitere, noch gefährlichere Reise zurückgelegt hatte. Bis ihrer beider Wegstrecken kurzerhand vom Zupan und seinen Kumpanen abgeschnitten worden waren.
    Tezlaw betrachtete das kleine Ding im Mondlicht. Das also hatte der Mönch in seinem Gepäck gehabt. Deshalb saß sein Zupan nun im Kerker des Klosters. Tezlaw drehte die Knöchelchen, die fast nichts wogen, ein wenig ratlos in seinen schmuddeligen Fingern hin und her. Die dünnen Drähte, die die Teile zusammenhielten, war das echtes Gold? Und die Hülle, die da saß, wo einmal der Fingernagel gewesen sein mußte? Er schnippte gegen die lilafarbene Samtkappe, auf der im Sternenlicht stickereigefaßte Steine funkelten. Waren das Edelsteine?
    Nervös wischte Tezlaw sich über Bart und Mund. Edelsteine, das war nicht gut. Er und sein Zupan, sie stahlen Schweine, Getreide, Stoff, ein paar Münzen und hin und wieder etwas Silber, das man einschmelzen konnte. Alles Dinge, die sie selbst verwenden oder auf den Märkten gut losschlagen konnten. An wen aber sollten sie Edelsteine verkaufen? Männer wie sie besaßen keine Edelsteine. Sie würden sofort verhaftet werden, wenn sie damit irgendwo auftauchten.
    Doch das Denken war nicht Tezlaws Teil. Noch einmal kratzte er sich am Kopf, dann packte er die Reliquie zuversichtlich ein. Der Zupan würde es wissen. Und wenn der Abt, der Greif, den Finger haben wollte, dann würde sich sicher auch ein Gewinn aus den Knochen schlagen lassen. Man mußte sehen. Der Zupan würde sehen.
    Tezlaws Gewissen war nicht der Art, daß es sich im Übermaß mit Sorgen belastete. Er schleppte die Körper der beiden Mönche ins Gebüsch und verscharrte sie. Dann wischte er sich den Schweiß von der Stirn und ging pfeifend davon. Hinter ihm im Mondlicht gähnte schwarz die Öffnung des

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