Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die sieben Häupter

Die sieben Häupter

Titel: Die sieben Häupter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Belinda; Kinkel Richard; Rodik Ruben; Dübell Malachy; Wickenhäuser Mani; Hyde Tessa; Beckmann Horst; Korber Helga; Bosetzky Titus; Glaesener Rebecca; Müller Guido; Gablé Dieckmann
Vom Netzwerk:
die Büsche schlug.
    Fünf Tage? Eine Woche? Sie wußte es nicht. Doch sie hatte sich nicht unterkriegen lassen. Nach dem Zwischenfall in Wulfen hatte sie nicht mehr um Milch gebeten, sondern sich auf den Wiesen direkt unter die Kuheuter gelegt. Sie bettelte nicht mehr um Essen, sondern entwendete aus den Ställen die Hühnereier. Sie hatte einem Mann den Schädel eingeschlagen, auf einen Diebstahl mehr oder weniger kam es nun nicht mehr an. Ihr Knie spürte sie kaum noch, es war wie tot, dabei aber auf doppelte Größe angeschwollen und von der Farbe einer reifen Pflaume.Als sie den Kirchturm von Repgow sah, liefen ihr die Tränen über die Wangen. Zunächst dachte sie, es handle sich um eine Vision. In den letzten Tagen hatte sie häufiger Dinge gesehen oder gehört, die es gar nicht gab. Den Vogel Greif auf einem Baum. Schwarze Kutten an Vogelscheuchen. Vermutlich hatte der Hunger diese Wahnbilder erzeugt. Ihr Verstand hatte merklich unter den Entbehrungen und Schmerzen gelitten. Doch der Kirchturm löste sich nicht in Luft auf, er blieb und wurde größer, als sie sich näherte. Es war kurz nach Sonnenuntergang, als sie das Dorf erreichte. Am liebsten wäre sie zum Hof des Vaters gegangen, aber das war undenkbar. Mit Schimpf und Schande hätte er sie auf die Straße und zum Teufel gejagt. Seitdem Bertha auf dem Hof das Sagen hatte, war der Vater nicht mehr der alte, nicht mehr er selbst. Als Ethlind den Gasthof passierte, überlegte sie, ob sie den Wirt nach etwas Eßbarem fragen sollte. Der Kerl war zwar ein grober Klotz und schmieriger Geselle, dem Mädchen aber durchaus wohlgesonnen. Doch dann fürchtete sie, dem Vater im Schankraum zu begegnen, und so schaute sie zunächst durchs Fenster ins Innere. Wie groß war ihre Überraschung, als sie Bertha an einem Tisch sitzen sah. Ihr gegenüber hockte ein kahlköpfiger Greis, der seltsam grinste und sich über irgend etwas zu amüsieren schien. Bertha hingegen machte eine finstere Miene und schaute sich ein ums andere Mal nach allen Seiten um.
    Also war ihr auch die Schenke verwehrt. Vielleicht war es auch besser so. Ethlind hatte keine Zeit zu verlieren. Sie hatte ein Leben zu retten, das sie selbst erst in Lebensgefahr gebracht hatte, und darum mußte sie zum Gut Repgow. Wie in jener regnerischen und stürmischen Nacht, als sie auf Matteos Geheiß den Drachensamen versteckt hatte.
    Es war nicht weit zum Herrensitz, und mit der Astgabel, die sie inzwischen als Krücke benutzte, war sie beinahe so behende wie eine Unversehrte. Als das Gut Repgow direkt vorihr lag, hörte sie plötzlich Pferdegewieher und lautes Kommandieren. Kurz darauf preschte ein Reiter vom Hof, eine schwarze Gestalt auf einem Schimmel. Der Mann war in einen Mantel gehüllt, wie ihn die Benediktiner trugen, und Ethlind glaubte beinahe, den Senpekten Hagatheo vor sich zu haben. Der Reiter jedoch beachtete sie gar nicht und ritt in wildem Galopp gen Norden. Noch so eine Vision, dachte sie und lief querfeldein zu dem Ort, den sie als kleines Kind beim Spielen entdeckt hatte. Eine winzige Öffnung unterhalb des gemauerten Gehöfts, mit bloßem Auge kaum wahrzunehmen, doch dahinter verbarg sich ein Tunnel, der direkt ins Haus derer von Repgow führte.
    Ein Versteck hatte sie in jener regnerischen Nacht gesucht. Ein besseres als dieses gab es nicht. Es war das geheime Versteck ihrer Kindheit.
    In dem Tunnel war es finster, doch sie fand sich auch ohne Licht zurecht. Der Tunnel wurde zu einem Gang, dann zu einem mit Fackeln erleuchteten Korridor und führte schließlich zu einer Treppe nahe den Vorratsräumen. Plötzlich glaubte Ethlind ihren Namen zu hören. Eine Frauenstimme flüsterte: »Ethlind?«
    Visionen. Wahnvorstellungen.
    Dann war der Spuk vorbei.
    Ethlind bückte sich, kroch unter die Treppe, schob den Stein beiseite und griff in das Loch in der Wand.
    Nichts.
    Hektisch suchte sie jeden Fingerbreit des Verstecks ab. Aber es war leer.
    Der rote Drache hatte sein Haus verlassen.

13. Kapitel
    Repgow, Mai 1223
    K euchend lehnte sich Roswitha an einen Baumstamm. Hinter ihrer Stirn rauschte es, ihre Lungen schienen von Pfeilen durchbohrt. Der Lauf durch den Gang, aus der Burg hinaus, bis in das Dunkel des Waldes, diese Anstrengung war zuviel für sie gewesen, trotz der guten Pflege bei Eike von Repgow. Nur langsam ließ das Klopfen in ihrer Brust nach. Über ihr kreischte ein Eichelhäher und flatterte davon. In der Ferne rief eine Eule, und Roswitha kroch eine Gänsehaut über den Körper, ein

Weitere Kostenlose Bücher