Die sieben Schätze des Yoga
berühren.
Was ist das Herzstück deiner eigenen Übungspraxis?
In den 45 Jahren, in denen ich nun schon Yoga übe, hat sich meine Praxis immer wieder verändert und meinen Bedürfnissen angepasst. Ich bin nun 81 Jahre alt, und da brauche ich selbstverständlich etwas anderes als mit 40 Jahren, als ich noch fleißig die Rishikesh-Reihe (siehe Kasten) oder Sonnengrüße übte. Jetzt mache ich jeden Morgen zuerst lockere Atemübungen, um die Müdigkeit abzuwerfen. Und dann eine Reihe von Dehnübungen, die auch eine symbolische Aussage haben, zum Beispiel der Wechsel zwischen den Polaritäten links und rechts wie beim »Mondgruß« oder die Erfahrung des Hier und Jetzt, wenn ich im »Held« (Virabhadrasana I, > ) stehe. Diese Haltung mag ich sehr gerne, denn ich kann in ihr die Kräfte der Erde, der Muskeln, des Atems und des Bewusstseins »zusammenbinden«. Wenn ich in dieser Haltung die Arme hebe, erbitte ich immer den Segen des Himmels. Ich leite ihn dann in mein Herz, denn meine Aufgaben im Leben kann ich nur annehmen mit dem Segen des Himmels.
Das wahre Herzstück meiner Übungspraxis ist aber natürlich die Meditation, denn ich finde dort Freundlichkeit, Ruhe und alles, was mich beglückt und über das Materielle hinaushebt. Meditation hilft mir, mich in Beziehung zu meinen inneren Werten zu setzen – mit meiner Buddha-Natur, mit dem Göttlichen in mir, mit meiner wahren Natur. Das ist ein Veredelungsprozess, der aber nicht dem Ego dient, sondern vielmehr das Selbst erblühen lässt.
Die Rishikesh-Reihe ist eine Abfolge von 12 Asanas (Yogastellungen), die nacheinander in einer bestimmten Reihenfolge geübt werden. Sie wurde nach ihrem Entstehungsort benannt, dem Sivananda-Ashram in Rishikesh in Südindien, wo sie von Swami Sivananda entwickelt wurde.
Was ist das Herzstück deiner Yogalehre?
Ich möchte die Menschen gerne zu einer ganzheitlichen Gesundung führen. Für ihre körperliche Gesundung unterrichte ich Hatha-Yoga und Atemübungen, für ihre seelische Gesundung Meditation. Außerdem versuche ich ihnen die Aussagen der spirituellen Lehren nahezubringen, indem ich sie in Gedichte oder in Symbole verkleide.
Da so viele Menschen an einem Mangel an Selbstwertgefühl leiden, scheint es mir wesentlich, sie alles das zu lehren, was sie ihren Selbstwert wiederfinden lässt. Dazu gehören zum Beispiel die Fünf geistigen Kräfte, die wir bei Patañjali ebenso wie im Buddhismus finden, und zwar: Vertrauen, Willenskraft, Einsicht bzw. Wissen, Ruhe und Achtsamkeit.
Sie alle sind, wenn man sie gewissermaßen »nach innen übt«, heilsame Kräfte, die uns helfen, eine ausgeglichene Persönlichkeit zu entwickeln. Ich bringe diese Qualitäten immer in Verbindung mit der Übungspraxis, sodass man sich in den Asanas oder Übungsreihen ganz bewusst zum Beispiel auf Vertrauen, Achtsamkeit oder Willenskraft ausrichtet.
Zudem versuche ich, meine Teilnehmer/-innen zu unterstützen, sich selbst Anerkennung und Wertschätzung zu geben für das, was sie tun – etwa zur Yogastunde zu kommen oder eigenständig zu Hause zu üben.
Das Wichtigste, was ich ihnen aber beibringen kann, um ihren Selbstwert zu stärken, ist Maitri – die Herzensgüte. Dazu kommen noch Karuna, das Mitgefühl, Mudita, die Mitfreude, und Upeksha, der edle Gleichmut. Maitri wird im Buddhismus auch »herzerlösende Güte« genannt, denn normalerweise ist unser Herz gefangen in Angst, in Abwehr, in Gier und in all den Mustern, die uns geprägt haben. Die Güte ist »herzerlösend« und befreiend. Das Lehren der Meditation und all der spirituellen Dinge bedeutet für mich, dass man ganz bodenständig wird. Es soll keinesfalls dazu führen, dass man abhebt und schwebt, sondern dass man vielmehr den Himmel in sich hineinholt.
»In Wirklichkeit bestehen wir alle aus denselben Bestandteilen in Körper und Geist. Es gibt überhaupt keinen Unterschied zwischen uns.«
Ayya Khema
Hast du ein Motto, das du vermitteln möchtest?
Es sind drei Aspekte. Der erste bezieht sich auf den Selbstwert und lautet: »Verliere dich nicht in der Welt, sondern komm immer wieder zu dir selbst zurück.«
Das andere ist ein buddhistischer Leitsatz: »Unheilsames lassen, Heilsames tun und das eigene Herz läutern.«
Das Dritte ist, sich immer wieder zu sagen oder zu denken: »Möge ich frei sein von Leid und Bedrückung, möge ich zufrieden und glücklich sein. Mögen alle Wesen frei sein von Leid und Bedrückung, mögen alle Wesen zufrieden und glücklich sein.« Jedes
Weitere Kostenlose Bücher