Die siebte Gemeinde (German Edition)
umher. Einem zauberte Fabius gar ein Lächeln aufs Gesicht, da er seiner Schwester vor den Augen des Soldaten ein Bein stellte. Obwohl sie sich plausible Antworten für ihre Reise aus der Stadt parat gelegt hatten, konfrontierte sie keiner der Wächter mit einer Frage. Mit einem entspannten Nicken zu einem der Ritter schritten sie im Morgengrauen aus dem Stadttor und der für sie so gefährlich gewordenen Stadt.
»He, wie weit ist es noch?«
Arusch drehte sich um und warf Pardus einen unmissverständlichen Blick zu.
»Schon gut, schon gut«, hob dieser schützend seine Arme. »Ich sag nichts mehr. Gehen wir weiter.«
Zwei Tage waren vergangen, seitdem sie Georgios in dessen Werkstatt abgelegt hatten. Stießen sie zu Beginn fast stündlich auf eine Reitergruppe, die entweder Kurs auf die Stadt nahm oder von ihr wegritt, verlängerten sich die Abstände der Patrouillen, je weiter sie sich von Konstantinopel entfernten. Sie fühlten sich zunehmend sicherer.
»Wir sollten bald eine Rast machen«, meinte Viktorianah keuchend, die zum voraneilenden Arusch aufgeschlossen hatte. »Die Kinder sind am Ende.« Sie zog an Aruschs Hand, um ihrer Forderung Ausdruck zu verleihen. »Arusch, hörst du?«
Dieser blieb stehen und schaute Viktorianah an, die noch immer seine Hand hielt. Es war nicht das erste Mal, dass sie in letzter Zeit danach gegriffen hatte. Schon am vorangegangenen Abend hatte sie sich zu ihm gesetzt und lange mit ihm geredet. Irgendwann war sie erschöpft neben ihm eingeschlafen und hatte zuvor seine Hand genommen. Er hatte ihre Annäherung wortlos geschehen lassen, denn er fühlte, wie sich ein warmer Fluss durch seinen Körper schlängelte, als sie ihn berührte. Wärme, die er in einer kühlen Nacht wie der Letzten gut gebrauchen konnte.
Als sie nun neben ihm stand, fühlte er sich an den gestrigen Abend zurückversetzt. Nachdenklich biss er auf seine Unterlippe und ließ seinen Blick über die Landschaft schweifen. »Wenn ich mich nicht täusche«, sagte er, löste seine Hand von Viktorianah und deutete vor sich gegen die Anhöhe, »beginnt hinter diesem Hügel ein Wald. Wenn wir an der Baumgrenze entlang westlich gehen, treffen wir bald auf das Haus. Schafft ihr es noch bis dahin?«
»Ich denke schon«, meinte Bore, die im Begriff war, Fabius im Austausch mit Nara auf das zweite Pferd zu setzen. »Die Kinder müssten zwar eine Pause machen, aber besser ist, wenn wir endlich ein Dach über dem Kopf haben.«
»Also dann«, sagte Arusch und drehte sich um. »Auf geht’s.«
Der Wald, auf den sie hinter dem Hügel zuliefen, schmiegte sich wie eine zu hoch geratene Wiese in die wellige Landschaft ein. Aus der Ferne wirkten die dicht gewachsenen Bäume beinahe ebenmäßig, als hätte ein Riese mit seinem Schwert die Kronen auf gleiche Höhe gestutzt. Erst als sie sich dem Wald näherten, und die Bäume zunehmend über ihnen aufragten, erkannte man eine gewisse Ungleichmäßigkeit.
Vor dem Wald verließen sie den Weg, der in den Schutz der schattigen Bäume führte, und sie hielten sich an der Baumgrenze entlang in westliche Richtung. Nachdem sie bereits mehrere Unebenen durchwandert hatten, liefen sie durch eine kniehohe Wiese zur nächsten Anhöhe hinauf.
»Hoch und runter, hoch und runter«, meckerte Pardus. »Endet das denn nie?«
»Verdammt noch mal!«, fluchte Arusch, der als Erstes den Hügel erreicht hatte.
»Sag nichts weiter«, fiel ihm Pardus ins Wort. »Ich halte meinen Mund.«
»Nicht wegen dir«, sagte Arusch und zeigte den Hügel hinab. »Dort!«
Am Fuße des vor ihnen liegenden Tales blickten sie auf eine Hütte, die am Waldrand stand. Daneben erkannte man ein verwildertes Gatter, das eine Reparatur nötig hatte und in dem ein alter Pflug vor sich hinrostete. Das Feld vor der Hütte lag brach und war seit Jahren nicht mehr bewirtschaftet worden. Vor dem Haus stand ein Pferdekarren, an dem ein Esel vorgespannt war, der gelangweilt aus einem Sack Heu fraß. Aus der Hütte stiegen Rauchschwaden auf.
»Ich habe es geahnt!«, schrie Pardus entsetzt. »Da wohnt jemand.« Verärgert trat er ein Loch durch die Luft.
»Und nun?«, fragte Viktorianah, die zwischenzeitig neben Arusch angekommen war.
»Gehen wir hinunter«, meinte Arusch. »Wer einen Esel besitzt, kann nicht gefährlich sein. Vielleicht gewähren sie uns Unterschlupf. So oder so müssen wir wegen der einbrechenden Nacht einen Lagerplatz finden.«
»Welchen Weg sollen wir nehmen?«, rief Henry de Crién dem neben ihm
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