Die siebte Maske
Überzeugung gelangt warst, daß dein Mandant schuldig ist.«
»Das ist keine Entschuldigung für mich. Er hat ein Anrecht auf die bestmögliche Verteidigung, und –«
»Du hast mehr für ihn getan, als er verdient hat. Jetzt hör endlich auf, dir Vorwürfe zu machen.«
Mit düsterer Miene rührte Mike in seinem Kaffee. »Ich glaube, Phil und Louise wollten bei der Hinrichtung nicht dabei sein. Sie waren heute morgen nicht im Gerichtssaal.«
»Nicht deshalb. Sie waren zur gerichtlichen Untersuchung des Todesfalls Haven vorgeladen. Du weißt doch, Louise ist mit Adrienne Haven eng befreundet.«
»Wie ist die Sache ausgegangen?«
»Wie erwartet. Tod durch Einwirkung eines oder mehrerer unbekannter Täter.«
»Mord«, meinte Mike. »Und da sitze ich und jammere über meine Probleme. Auf dich kommen ganz andere zu.«
»Kann sein.« Bill zuckte die Achseln. »Muß aber nicht sein. Manchmal läßt sich so etwas gleich in den ersten paar Tagen aufklären.«
»Oder es zieht sich ewig lange hin. Wie sieht es aus?«
»Wir haben ein oder zwei Hinweise. Einen recht interessanten erhielten wir erst gestern – und ausgerechnet von Louises Vater.«
»Von Winston Grimsley? Was hat der mit der Sache zu tun?«
»Zunächst einmal war er Direktionsmitglied von Havens Firma.«
»Der Job dürfte ihn kaum ausgefüllt haben.«
»Er war auch Mitglied von Walter Havens Klub; sie standen immerhin so gut miteinander, daß Haven mit Winston über einiges gesprochen hat.«
»Und was hat für dich dabei herausgeschaut?«
»Das wirst du schon noch erfahren«, sagte Bill ein wenig geheimnistuerisch. »Trink jetzt lieber deinen Kaffee aus und mach, daß du ins Büro zurückkommst. Dort wartet bestimmt schon ein halbes Dutzend Besucher auf dich.«
Bill irrte sich. Es war nur eine Besucherin da.
Von Louise Capice ging irgend etwas aus, was Mikes Sekretärin Jean Culpepper in Verlegenheit setzte. Ihre Anwesenheit im Wartezimmer genügte, und Jean dämpfte ihre Stimme beim Telefonieren zu einem Flüstern und benahm sich ganz allgemein so, als sei sie im Buckingham Palace für gesellschaftliche Belange zuständig. Louise strahlte eine besondere Art von Würde aus, und die verlor sie nicht einmal, wenn sie ungeduldig wurde.
»Verdammt noch mal!« sagte sie zu Mike. »Ich bin wütend! Wütend genug, um dreinzuhauen – oder vor den Kadi zu gehen!«
Mike lachte und führte sie in sein Büro, machte der neugierigen Jean die Tür vor der Nase zu.
»Also gut«, sagte er. »Wen willst du verklagen? Das Warenhaus Daley? Die ›Boutique‹? Hat dir irgendwer eine minderwertige Dauerwelle verpaßt?«
»Das ist sehr zynisch von dir und überhaupt nicht lustig«, sagte Louise. »Ich bin wütend auf diese ganze elende Stadt. Irgend etwas muß es doch geben, was du unternehmen kannst – als Rechtsanwalt, meine ich -, um diesen schrecklichen Gerüchten entgegenzutreten.«
»Was für Gerüchte?«
»›Gerüchte‹ ist noch viel zu milde ausgedrückt. Verleumdungen – das trifft es eher. Verleumdungen, üble Nachrede, wie immer ihr das nennt. Ich habe den juristischen Unterschied nie begriffen.«
»Man verleumdet dich?«
»Nicht mich, sondern Adrienne«, erwiderte sie. »Mike, wenn du ein paar von diesen Leuten nur reden hören könntest! Ich habe es, heute vor Gericht. Und überall sonst. Meine eigenen Freunde sprechen darüber – nicht in meiner Gegenwart; sie wissen, wie gern ich Adrienne habe –«
Mike seufzte und verschränkte die Hände. »Was muß ich anstellen, um schlichte Fakten von dir zu erfahren? Wer verleumdet Adrienne Haven und auf welche Weise?«
»Man sagt, sie hat ihren Mann umgebracht.«
Zum erstenmal sah es so aus, als würde Mike seine Besucherin ernst nehmen.
»Das«, sagte er, »ist in der Tat eine unzulässige Behauptung. Wenn du beweisen kannst, wer so etwas in der Öffentlichkeit gesagt hat – und daß es nicht zutrifft, versteht sich.«
»Natürlich trifft es nicht zu! Du kennst Adrienne –«
»Tut mir leid, ich bin der Dame nie begegnet.«
»Doch – in Orchard Hall. Nein …« Sie runzelte die Stirn. »Ihr wart bei der Jubiläumsfeier für Winston und Mattie nicht dabei. Urlaubskreuzfahrt oder so etwas. Trotzdem, wenn du Adrienne kennen würdest, dann könntest du so eine Geschichte nicht einmal fünf Sekunden lang glauben.«
»Ich vielleicht nicht«, sagte Mike sanft. »Aber warum glauben andere Leute die Geschichte?«
»Ach, du weißt doch. Die übliche Boshaftigkeit. Den Leuten macht es einfach
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