Die Siedler von Catan.
sich ab. »Gute Nacht, Candamir.«
»Gute Nacht.« Er schaute ihr nach, bis sie mit den Schatten der Dämmerung im hohen Gras verschmolzen war. Dann ging er zurück in seine Hütte.
Die Wochen vor Mittsommer waren finstere für Candamir und alle, die das Unglück hatten, ihm anzugehören.
Während die übrigen Siedler sich des herrlichen Sommerwetters erfreuten und dem großen Festtag, nicht zuletzt der Hochzeit entgegenfieberten, herrschte in der kleinen Hütte am Rande der Uferwiese tiefster Winter.
Nach Hacons Genesung ging Candamir mit seinem Bruder und seinen Knechten jeden Morgen zur Arbeit in den Wald, gab sich unbeschwert und lachte, wenn er in der Mittagshitze das Obergewand auszog und irgendwer beim Anblick seines Rückens eine Grimasse schnitt. Doch sobald er heimkam, streifte er jeglichen Frohsinn ab wie ein Paar unbequemer Schuhe.
Er war so schroff zu seinem Gesinde, dass bald niemand mehr das Wort an ihn richtete, wenn es sich vermeiden ließ. Hacon behandelte er mit Hohn und eisiger Herablassung, kränkte den Jungen bei jeder Gelegenheit mit zotigen Bemerkungen über dessen Männlichkeit. Hacon ergriff die Flucht, wann immer es möglich war, aß abends lieber bei seinem Freund Wiland und kam erst in die Hütte geschlichen, wenn es dort still und dunkel geworden war. Am schlimmsten war es für Gunda. Candamir nahm kein Essen aus ihrer Hand an und sprach nicht mit ihr. Und eigentlich wollte er sie auch nicht mehr anrühren; sie war ihm zuwider. Aber manchmal betrank er sich mit diesem ekligen Zeug aus gegorener Schafsmilch, und dann ging er zu ihr. Gunda lebte in ständiger Todesangst, und darum war sie gefügig, heuchelte ihm Leidenschaft vor, egal wie grob er zu ihr war, weil sie mehr als alles andere fürchtete, sein Hass auf sie könnte sich auf seinen schutzlosen Sohn übertragen. Er durchschaute das natürlich, doch statt sie zu bedauern – oder wenigstens zufrieden zu lassen -, wurde er noch ein bisschen gemeiner.
Und wenn er am nächsten Morgen mit dickem Schädel und einem fauligen Geschmack im Mund zu sich kam, fand er sich in einem Jammertal aus Verzweiflung und Abscheu vor sich selbst.
»Hier, Herr.« Heide reichte Candamir ein Gericht aus Melde und Ziegenkäse. Sie wusste, dass er das gern aß. »Ich hab auch noch ein schönes Stück Kalbsleber für dich«, fügte sie hinzu.
»Dann her damit.«
Er schaufelte sich den würzigen Eintopf mit einem hölzernen Löffel in den Mund und war schon fertig, als sie ihm die Leber brachte: ein kleines Stück dunkles, saftiges Fleisch auf einem Holzteller.
»Und das ist alles?«, knurrte er.
Heide nickte und beschloss, ihm lieber nicht zu sagen, dass sie nicht nur Hacon, sondern auch Gunda ein Stück Leber zugesteckt hatte, denn das Mädchen wurde immer dürrer und hatte nicht mehr genug Milch. Vermutlich war das der Grund, warum der kleine Nils so viel schrie, was nicht gerade dazu beitrug, die allgemeine Stimmung zu heben.
»Es ist noch reichlich Eintopf da«, sagte die Köchin besänftigend.
»Gut. Bring mir welchen. Und sorg dafür, dass das Geplärr aufhört.«
Sie nahm ihm die leere Schale ab und trug sie zum
Feuer.
»Kleine Kinder schreien, Herr, es ist normal. Du hast es auch getan, lauter als dein Sohn hier. Ich muss es wissen, ich war dabei. Man kann nichts dagegen tun.«
»Nein? Bring mir einen faustgroßen Stein, und ich zeig dir, was man dagegen tun kann.«
Heide wurde blass und bedachte ihn mit einem vorwurfsvollen Kopfschütteln. Gunda stieß einen kleinen, zutiefst verzweifelten Schrei aus und sprang von ihrem Platz am Feuer auf, um Nils irgendwohin zu tragen, wo sein Vater ihn nicht hörte.
»Du bleibst«, fauchte Candamir in ihre Richtung, ohne sie anzuschauen.
»Herr …«:, begann Austin zaghaft.
»Sei lieber still«, riet Candamir. »Es gibt nichts, das ich von dir hören will.«
»Nein, das glaub ich«, entgegnete der Sachse. »Denn du wüsstest ja, dass es die Wahrheit ist, nicht wahr? Und welcher selbstmitleidige Schwächling hält es schon aus, die Wahrheit zu hören?«
Tjorv, Nori und Heide starrten ihn an, als hätte er den Verstand verloren, und er selbst hegte den Verdacht auch. Aber er hatte sich dieses Elend wochenlang schweigend angeschaut, und jetzt war das Maß voll.
»Wie hast du mich genannt?«, erkundigte Candamir sich und stand auf.
Austin erhob sich ebenfalls und trat zwei Schritte vom Feuer weg, denn er wollte nicht hineinfallen, wenn er zu Boden ging. Und das würde er. »Du hast mich sehr
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