Die Siedler von Catan.
stürzte herab und traf Candamir an der Schulter. Der hatte das Unheil nicht kommen sehen, verlor den Halt und landete unsanft wieder am Boden.
»Candamir!«, riefen Siglind und Godwin, Haralds Sohn, erschrocken aus. Sie lief zu ihm, und auch Godwin und der junge Turonländer kletterten hastig vom Dachstuhl hinab.
Doch Candamir hatte sich bereits aufgesetzt, rieb sich mit einer Hand den linken Knöchel und winkte mit der anderen beruhigend ab. »Es ist nichts passiert. Glaube ich.«
Er kam ein wenig ungeschickt auf die Füße und verzog das Gesicht, als er den umgeknickten Fuß mit seinem Gewicht belastete. Dann bedachte er seinen Lehrjungen und den stummen Sklaven mit einem missfälligen Kopfschütteln. »Andauernd purzelt euch irgendetwas vom Dach – es ist ein Wunder, dass ihr nicht längst jemanden erschlagen habt. Wann wollt ihr lernen, ein bisschen mehr Acht zu geben?«, schimpfte er.
»Es tut mir Leid, Candamir«, murmelte Godwin betreten, obwohl er in diesem Fall schuldlos war.
Der Turonländer stand einen Schritt zur Rechten. Er hielt den Blick gesenkt, aber man konnte sehen, wie versteinert seine Kiefermuskeln waren. Er rührte sich nicht, doch er zitterte, und Schweiß rann ihm die Brust hinab, der nicht von der Hitze rührte. Der Mann war außer sich vor Furcht.
»Nimm dich zusammen«, brummte Candamir ungehalten.
»Ich hab nicht vor, dir das Herz rauszureißen.«
Der Turonländer warf ihm einen blitzschnellen, gehetzten Blick zu und schluckte sichtlich.
Candamir verscheuchte ihn mit einem Wink und wandte sich angewidert ab. Mit dem abgestürzten Rofen in der Linken stieg er erneut die Leiter hinauf.
Doch hinter seiner Schroffheit verbargen sich Unbehagen und Mitgefühl. Er hatte sich lange dagegen gesträubt, sich einzugestehen, dass er den jungen Schiffsbauer eigentlich recht gern mochte, denn der war ein Turonländer und hatte großes Leid über ihr Volk gebracht. Aber das war lange her, und wenn man Tag für Tag mit ihm zusammenarbeitete, kam man kaum umhin, ihn schätzen zu lernen: Er war nicht nur ein hervorragender Zimmermann, sondern ebenso ein angenehmer Mensch. Candamir hatte sich dabei ertappt, dass er die Stummheit des Turonländers bedauerte, denn er hätte gerne gewusst, wie ein so junger Mann ein derart erfahrener Handwerker sein konnte, wie die Menschen in Turonland lebten und vieles mehr. Und er erinnerte sich, wie tapfer der Gefangene am Morgen nach dem Überfall Verstümmelung und Tod ins Auge geblickt hatte. Doch von diesem Mut war nichts übrig. Es war unschwer zu erraten, was einen so nervösen Feigling aus ihm gemacht hatte – Rücken, Arme und Brust des Turonländers waren mit Narben von Olafs grausamer Peitsche übersät. Und da Candamir inzwischen selbst erfahren hatte, wie zermürbend Schmerz und körperliche Erniedrigung sein konnten, kam er nicht umhin, sich zu fragen, ob er selbst auf Dauer nicht auch daran zerbrochen wäre. Es war ein beunruhigender Gedanke.
»Ich weiß nicht, was ich tun soll, Austin«, gestand Siglind ihrem Vertrauten und Lehrer.
Sie hatte ihn am späten Nachmittag auf der kleinen Koppel neben Candamirs Hütte ausfindig gemacht und half ihm, die Kühe und Ziegen zu melken. Candamir besaß inzwischen von jedem ein halbes Dutzend, und es war viel Arbeit. Der Sachse war dankbar für die Hilfe, zumal die Tiere heute ungewohnt unruhig waren und entschlossen schienen, abwechselnd nach dem Melkeimer oder ihm selbst zu treten. Die Melker hockten jeder auf einem niedrigen Schemel und unterhielten sich unter den Bäuchen der Kühe hindurch und um die geschwollenen Euter herum. Das gleichmäßige Spritzen des Milchstrahls in den Eimer untermalte ihr vertrautes Gespräch.
»Du musst beten«, antwortete er. »Es ist ganz natürlich, dass dir Zweifel an der Richtigkeit deines Weges kommen, das geschieht uns allen.«
»Beten?«, fragte sie ein wenig verzagt. Das war nicht die Antwort, auf die sie gehofft hatte.
Der Mönch nickte. »Hast du mir nicht selbst gesagt, wie viel Trost du im Gebet gefunden hast, als wir um Hacons Leben bangen mussten?«
»Doch«, räumte sie ein. »Aber das war etwas anderes. Nur Gott konnte Hacon retten. Und allein ihn darum bitten zu können, gab mir das Gefühl, weniger hilflos zu sein. Das hier hingegen hat eigentlich nichts mit Gott zu tun.«
»Das solltest du nicht sagen«, wies er sie untypisch streng zurecht. »Du hast beschlossen, ihm dein Leben zu weihen. Also hat alles, was du fortan machst, auch mit ihm zu tun. Du
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