Die Signatur des Mörders - Roman
Blick ein Zeichen von schmerzhafter Verwunderung.
Als er antwortete, klang seine Stimme belegt. »Natürlich. Kommen Sie doch herein. Der Flur ist nicht der geeignete Ort, um über den Tod zu sprechen.«
Hus öffnete die Tür, um Ron, Henri und Myriam eintreten zu lassen. Sie kamen aus der lebhaften Atmosphäre des Universitätsgebäudes in die Stille eines Raumes, der durch hohe Bücherregale noch winziger wirkte. Sie fanden kaum Platz, da ein riesiger Schreibtisch fast die gesamte restliche Fläche einnahm.
Augenblicklich übten die Bücher eine unwiderstehliche Anziehung auf Henri aus. Er drehte sich um und musterte die Buchrücken.
Milan Hus’ Blick folgte ihm. »›Ein Buch‹«, erklärte er, »›muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.‹ Wissen Sie, von wem das Zitat stammt?«
Schweigen.
»Franz Kafka«, erklärte Hus. »Ich hoffe doch, Sie sind diesem Autor irgendwann einmal in der Schule begegnet.«
Niemand antwortete.
Mit einer Handbewegung wies der Professor auf die einzige Sitzgelegenheit im Raum, eine Einladung an Myriam, Platz zu nehmen. Sie ließ sich auf den unbequemen Stuhl sinken.
»Ich werde gleich meine Sekretärin bitten, zwei weitere Stühle zu bringen.« Hus beugte sich vor und griff zum Telefon.
»Es geht schon«, erwiderte Ron. »Wir werden Sie nicht lange aufhalten.«
Henri drehte sich abrupt um und wandte sich Hus zu: »Wissen Sie, dass Helena Baarova zu Tode gepeitscht wurde? Mit einem Stahlseil?«
Für einen Moment herrschte völlige Stille im Raum. »Was?« Hus wirkte aufrichtig entsetzt. »Nein, das wusste ich nicht. Ich dachte an …«
»Woran?«
»Nun, ich ging davon aus, dass sie vergewaltigt wurde.«
»Warum?«
»Warum?«, wiederholte Hus verwundert die Frage. »Die Gegend, in der sie wohnte …«
»Nein«, entgegnete Henri. Die Schärfe in seinem Tonfall war nicht zu überhören. »Sie wurde nicht vergewaltigt. Ihr Mörder hat sie ausgepeitscht, sie langsam verbluten lassen.«
Milan Hus schwieg, weniger, weil er erschüttert war … nein, er schien sich vielmehr zu fragen, was ihn das alles anging.
»Können Sie sich einen Grund vorstellen«, fragte Ron, »weshalb jemand das tun sollte?«
Der Professor schüttelte langsam den Kopf. »Nein! Und welcher Grund käme für so eine Tat in Frage? Wer sollte so etwas tun?«
»Sagen Sie es uns. Sie haben Helena Baarova schließlich gut gekannt.«
»Ich? Ich habe sie nicht wirklich gekannt.«
»Warum besitzen Sie dann einen Schlüssel zu ihrer Wohnung?«, fragte Ron. »Den gibt man nur jemandem, dem man vertraut.«
»Einen Schlüssel?« Hus blickte Ron verwirrt an.
»Ihr Sohn hat erzählt, Frau Baarova hätte Ihnen einen Ersatzschlüssel gegeben für alle Fälle«, erklärte Myriam.
»Ach so, das kann sein. Entschuldigen Sie, das habe ich vergessen. Das ist einige Monate her.«
»David«, übernahm Ron das Gespräch, »sagte, Sie seien mit Helena Baarova befreundet gewesen.«
»Befreundet …«, Milan Hus stockte. »Nein, befreundet würde ich es nicht nennen. Aber natürlich, wenn man im Ausland jemanden aus seiner Heimatstadt trifft, dann fühlt man sich ihm besonders verbunden. So ging es mir auch mit Helena. Ich kannte ihre Mutter, oder besser gesagt, meine mittlerweile verstorbene Frau war mit ihr befreundet. Eines Tages tauchte Helena hier in der Universität auf und bat mich um Hilfe bei der Wohnungssuche.«
»Haben Sie ihr geholfen?«, wollte Henri wissen.
»Aber ja. Ich bat sie sogar, zu uns zu ziehen. Mein Sohn war gerade zu mir nach Deutschland gekommen. Wir hatten ein Arrangement. Sie achtete auf David und konnte dafür kostenlos bei uns wohnen.«
»Das war kurz nach dem Tod Ihrer Frau?«
»Ja, meiner geschiedenen Frau.«
Hus fuhr sich mit der rechten Hand über die Augen. Myriam bemerkte einen großen schwarzen Siegelring am Ringfinger.
»Woran ist sie gestorben?«, hakte Henri nach.
»Woran sie gestorben ist?« Hus runzelte die Stirn.
»Ja.«
»Warum wollen Sie das wissen?«
»Warum sollten Sie es uns nicht erzählen?«, fragte Henri. »Gibt es einen Grund?«
»Nein. Natürlich nicht. Nur, es war … es war für uns alle ein äußerst schmerzliches Ereignis.«
»Sie hat Selbstmord begangen, oder?«
In diesem Moment wurde Myriam klar, dass Henri von dem Selbstmord gewusst, doch dieses Wissen für sich behalten hatte. Für einen Moment empfand sie Ärger. Diese Ermittlungen standen unter keinem guten Stern, wenn einer dem anderen nicht vertraute.
»Ja«, der Professor
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