Die Silberdistel (German Edition)
Sein Blick war fest und bestimmt. »Und wenn’s das letzte ist, was ich in meinem Leben mache – ich bin dabei!«
Fassunglos starrten die anderen ihn an. Daß in Cornelius soviel Glut und Leidenschaft steckte, hatte keiner für möglich gehalten.
Es war lange nach Mitternacht, als Marga und Cornelius in der Mitte der Hütte auf dem Boden knieten. Vor ihnen standen Michel und Georg, jeder eine tranige Funzel in der Hand. Stockend begann Michel, den Treueschwur vorzusprechen, auf den schon Zigtausende im ganzen Land ihre Mitgliedschaft im Geheimbund geschworen hatten. Satz für Satz wiederholte erst Cornelius, dann Marga die Losung, wobei Cornelius bei manchen Abschnitten sichtbar zögerte, bevor er sie doch mit fester Stimme nachsprach.
»Wir schwören, daß wir auf Leben und auf
Tod zusammenbleiben, einander nie
verlassen, die Beschlüsse des Rates
durchführen und unseren gewählten Führern
gehorchen, in allen Sachen nicht in eigenem
Nutzen, sondern zum ersten die Gesetze
Gottes und danach den gemeinen Nutzen
suchen werden. Die Gottlosen wollen wir
unterdrücken und ausrotten, diejenigen, die
sein Wort verneinen, die das arme Volk
peinigen und damit das Gemeinwohl
verletzen, denen werden wir nun den Garaus
machen.
Not bricht Eisen!«
7.
Nachdem sie Bantelhans und sein Weib gefesselt und geknebelt hatten, beeilten sich Jerg und seine Begleiter, so schnell wie möglich aus Dettingen zu verschwinden. Die Fahne unter Dettlers Jacke versteckt, rannten sie fast die ganzen drei Meilen nach Taben und hielten erst an, als die ersten Hütten zu sehen waren. Gierig tranken sie das kalte Wasser der Lauter, das sie mit bloßen Händen zum Mund führten. Dann ließen sie sich abgehetzt und außer Atem für einen Augenblick nieder. Der kalte, gefrorene Boden unter ihnen fühlte sich so feindselig an wie die Nacht, die sie dunkelschwarz begleitete. Mit vor Übermüdung glühenden Augen beschlossen sie, daß Jerg ins Dorf gehen sollte, um die Lage zu erkunden, während die anderen hier auf ihn warteten.
Kurze Zeit später stand er vor Asas Hütte, die, wie alle anderen auch, dunkel und still auf den nächsten Morgen wartete. Leise klopfte Jerg an, während er sich unruhig nach möglichen Verfolgern umblickte. Er brauchte nicht lange zu warten, bis die Heilerin ihm die Tür öffnete. In einem langen, hellen Gewand stand sie vor ihm. Die Haare geöffnet und ohne das gewohnte Tuch um den Kopf, sah sie seltsam jung und verletzlich aus. Auf einmal konnte Jerg nicht mehr verstehen, wieso ihm diese Frau bisher immer ein wenig unheimlich gewesen war. Drinnen war es warm und roch genauso, wie Jerg es sich vorgestellt hatte: etwas süßlich, nach frischen und getrockneten Kräutern, aber auch bitter nach ätzenden Tinkturen und heilsamen Ölen. Während sie ihm einen Becher lauwarmen Tee reichte, berichtete Asa ihrem Besucher, was seit seiner Flucht geschehen war.
In der Zwischenzeit war Find, den Marga zu ihrer Freundin gebracht hatte, auf Jergs Schoß gekrabbelt. Ohne sich weiter um ihn zu kümmern, pfiff Jerg durch die Zähne.
»Ist schon ein schlaues Luder, die Marga! Ehrlich gesagt, an die kleine Hütte auf der Alb hab’ ich gar nicht mehrgedacht. Dabei gibt es kein besseres Versteck! Hoffentlich sind sie noch droben, wenn Stefan, Dettler und ich dort ankommen …« Er kratzte sich am Kinn. »Der Michel aus Beutelsbach – das kann nur eines bedeuten. Nämlich, daß es losgeht!« Die Spuren der Übermüdung, der Kälte und der Angst waren auf einmal wie weggeblasen. Kämpferische Zuversicht hatte sich auf seinem Gesicht breitgemacht. »Asa – ich brauch’ deine Hilfe. Kann ich darauf rechnen?«
Die Heilerin blickte ihn an. »Es kommt darauf an, was du von mir verlangst. Ich bin gerne bereit, meinen Teil für den Bundschuh beizutragen. Solange ich niemandem an Leib und Seele damit schade …«
Jerg konnte mit Asas Skrupeln nichts anfangen. Wäre es nach ihm gegangen, hätten sie den Kardinal am einsamsten Baum der Gegend gefesselt und ihn einen qualvollen Tod sterben lassen, was auch in Dettlers Sinne gewesen wäre. Doch Stefan hatte dagegen geredet, und so hatten sie ihn am Ende laufenlassen. Auch als es darum ging, Bantelhans eine Lektion zu verpassen, hatte sich Stefan gegen die beiden gestellt. »Was nützt uns jetzt ein Blutvergießen, wo wir noch soviel vorhaben?« hatte er gemeint und war dabei so laut geworden, daß Jerg Angst hatte, am Ende noch von jemandem gehört zu werden. Unwillig hatte er schließlich
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