Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
Vom Netzwerk:
langen dunklen Haaren, hieb gleich mit der flachen Hand auf den Tisch. »Natürlich nicht! Jan Hus hatte ein Salvus Conductus des Königs! Angeblich hat Sigismund getobt, als man ihm die Kunde überbrachte, dass Hus im Kerker sitzt. ›Ich will ihn befreien, und wenn ich eigenhändig die Tür seines Gefängnisses erbrechen müsste‹, soll er gebrüllt haben. Ja freilich! Alles nur falsches Spiel! Jedermann weiß zwar, dass der König Hus freies Geleit versprochen hat, aber ernst gemeint war das nicht!«
    »Ihr meint, der König hat den Wutanfall nur vorgetäuscht?«
    Der Schwarzhaarige nickte, und sein Nebenmann pflichtete ihm bei. »Rein gar nichts hat er zu Hussens Befreiung unternommen! Im Gegenteil: Bald darauf hat er öffentlich davon gesprochen, dass die ›causa Hus et alia minora‹ die Reform von Reich und Kirche nicht behindern dürften – na, deutlicher kann man sich nicht ausdrücken! Die Sache unseres Hus als Kleinigkeit zu bezeichnen!« Der Böhme ballte wütend die Fäuste. »Ein Protestschreiben, das alle Böhmen unterschrieben und gesiegelt haben – stellt Euch vor, zweihundertfünfzig böhmische Adelige! –, hat ihn überhaupt nicht gejuckt. Es ist zum Kotzen!«
    »Und warum tut der König nichts für Jan Hus?«, hatte Ciaran seine Tischnachbarn gefragt. Die begannen nun wild durcheinander zu reden. »Weil er nach dem Tod seines Bruders König von Böhmen sein wird«, schrie einer. »Und er will keinesfalls ein Ketzerland übernehmen, sondern ein gut katholisches Reich, das dem neuen Papst von Sigismunds Gnaden treu ergeben ist.«
    »Ketzerland?« Ciaran zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Ist denn die Lage in Böhmen schon so weit gediehen?« Das hatte man in England vor zwei Jahren noch nicht gewusst.
    Der Schwarzhaarige nickte. »Der größte Teil des Adels ist auf Hussens Seite, obwohl man ihn mit dem Kirchenbann belegt hat. Ihr müsst wissen, dass der Kirche halb Böhmen gehört. Sollte Hus seine Forderung nach Besitzlosigkeit des Klerus in unserer Heimat durchsetzen, würde das bedeuten, dass Fürsten und Ritter die Kirchengüter übernehmen könnten. Und ein so reicher und mächtiger Adel ist das Letzte, was sich Sigismund als König wünscht. Deshalb, ganz im Vertrauen, glaube ich, dass der Geleitbrief für Hus eine Falle war. Der König wird im Zweifelsfall sein Geleitversprechen brechen. Wenn der Magister nicht widerruft, ist er ein toter Mann.«
    »Ihr glaubt, man würde ihn tatsächlich umbringen?«
    Die Böhmen sahen bedrückt und schweigend in ihre Weinpokale. »Ja«, sagte schließlich einer. »Wir fürchten, sie wollen ihn als Ketzer verbrennen. Und wir hoffen, dass er klug genug ist, sein Leben zu retten, indem er öffentlich widerruft. Wenn er dann wieder sicher in Böhmen ist, kann er den Widerruf ja zurücknehmen. Hauptsache, er bleibt am Leben.«
    Ciaran verabschiedete sich zu später Stunde von seinen böhmischen Trinkgenossen und ging nachdenklich heimwärts. Er sah die Schwierigkeit der Lage. Hus irgendwo im Kerker, die Kirchenoberen bereit, ihn als Ketzer zu verurteilen, ein König, der ihn gegen seine Zusage fallen lassen würde wie ein heißes Stück Kohle. Und diesem Hus wollte er Wyclifs Vermächtnis übergeben? Hatte das überhaupt einen Sinn? Noch am vorherigen Tag war ihm alles ganz einfach vorgekommen. Er würde den böhmischen Prediger ausfindig machen und ihm das Manuskript übergeben. Nicht, weil es ihm eine Herzens- oder Glaubensangelegenheit war. Sondern weil damit endlich etwas abgeschlossen sein würde. Sara hatte schon recht gehabt: Er hätte dann erfüllt, was seine Eltern sich gewünscht hatten, wäre seiner Sohnespflicht nachgekommen. Sie und die vielen anderen wären nicht umsonst gestorben. Er, Ciaran, hätte dann das Seinige getan und ein reines Gewissen. Und damit wäre er endlich, endlich von allem frei.
    Mit Schwung trat er gegen eine herrenlose Laterne, die mitten auf der Gasse stand. Es schepperte laut, und jemand fluchte aus einem der nächstgelegenen Fenster. Also gut, dachte Ciaran, egal, was mit Hus geschieht, ich werde ihm Wyclifs Vermächtnis bringen. Noch ist er schließlich nicht tot.
    Die Schwierigkeit war nur, wie er das anstellen sollte. Denn der Magister stand nicht etwa nur unter Hausarrest, sondern man hatte ihn tatsächlich in den Kerker geworfen. Hus befand sich, schwer bewacht, im dunkelsten Verlies des Dominikanerklosters auf der Konstanzer Seeinsel.

    Der nächste Morgen war der des 13. März 1415. Ciaran und Sara

Weitere Kostenlose Bücher