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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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ben Maimon (Maimonides), 1135 – 1204, jüdischer Leibarzt des Sultans Saladin
»Stehe mir bei, Allmächtiger, denn ohne deinen Beistand gelingt dem Menschen auch das Kleinste nicht. Lass, dass mich beseele die Liebe zur Kunst und zu deinen Geschöpfen. Gib es nicht zu, dass Durst nach Gewinn, Haschen nach Ruhm oder Ansehen sich in meinen Betrieb mische, denn diese sind der Wahrheit und der Menschenliebe feind, und könnten auch mich irreführen in meinem großen Berufe, das Wohl deiner Geschöpfe zu fördern. Erhalte die Kräfte meines Körpers und meine Seele, dass unverdrossen sie immerdar bereit seien, zu helfen und beizustehen dem Reichen und dem Armen, dem Guten und dem Bösen, dem Feinde und dem Freunde. Lass im Leidenden stets mich nur den Menschen sehen.«

Würzburg, Dezember 1415
    Hier wären wir also.« Rabbi Süßlein blieb vor einem Häuschen in der Judengasse stehen. Es lag zwischen der Mazzenbäckerei und dem Haus des Barnoss, des Gemeindevorstehers. Im Hintergebäude wohnte der Sofer Stam, der Thoraschreiber, mit seiner Großmutter. Sara hatte ihn schon kennengelernt; es war ein stiller, freundlicher junger Mann namens Ascher ben Jeschua, und er hatte die schönste Handschrift, die sie je gesehen hatte. Sie freute sich, ihn zum Nachbarn zu bekommen.
    Es hatte eine Weile gedauert, bis der Rat ihr erlaubt hatte, sich zu Würzburg niederzulassen. Eine allgemeine Bestallung zur Stadtärztin hatte man ihr verweigert; das Misstrauen war zu groß gewesen. Eine Frau als Magistra der Medizin, wer hätte je so etwas gehört? Da konnte ja jede kommen und Behauptungen aufstellen! Nur weil Sara so hartnäckig geblieben war, hatte man ihr schließlich gestattet, vorläufig im Judenviertel zu praktizieren. Christen durfte sie allerdings nicht behandeln.
    Ihr war es recht gewesen. Zumindest war es ein Anfang.
    Der Rabbi verabschiedete sich schnell, weil sein Schulunterricht begann. Er überreichte ihr den Hausschlüssel, wünschte masel tow und machte sich dann auf den Weg. Sara und Jochi betraten das Haus voller Erwartung. Es war nicht groß; deshalb gab es auch keine Untermieter in Dach und Keller, wie in den meisten anderen Häusern der Stadt. Für zwei Menschen würde es gerade schön reichen, wenn man bedachte, dass ja auch noch ein Zimmer im Erdgeschoss als Behandlungsraum dienen musste. Hinter dieser Arztpraxis lag eine geräumige Wohnküche mit Kochkamin und Spülstein, im ersten Stock gab es ein großes Schlafzimmer und zwei Kammern. Und, welch ein Luxus, einen Abtritt! Das Beste aber war, dass Sara im Gärtchen hinter dem Haus einen eigenen Brunnen entdeckte, zwar nicht viel mehr als ein gemauertes Loch im Boden, in das man einen Eimer hinunterlassen konnte, aber Wasser war für die ärztliche Behandlung immer vonnöten, und so konnte sich Sara häufige Gänge zum großen Brunnen vor der Marienkapelle sparen.
    Es klopfte, und eine ältere Magd stand vor der Tür, ein rundes Brot in der Hand. Aus einem Loch, das oben in den Laib gebohrt war, leuchtete weißes Salz.
    »Glück und Segen den Nachbarn im neuen Heim«, wünschte die Frau. »Meine Herrschaft lädt Euch zum Schabbatmahl ein, heute bei Sonnenuntergang.«
    »Wer ist deine Herrschaft?«
    »Levi Colner und seine Frau Jakit«, antwortete die Magd. »Gleich nebenan.«
    »Sag, wir kommen gern.«

    Die Schabbatgesellschaft entpuppte sich als Treffen der vornehmsten Familien der jüdische Gemeinde. Nicht nur der Rabbi und seine Tochter waren anwesend, sondern auch drei Mitglieder des Fünferrats, der die Geschicke der Würzburger Juden lenkte. Levi Colner gehörte selber dazu, auch der rotgesichtige Salman Polp mit seiner Frau Esther, und ein weißhaariger, gebückt gehender Greis namens Mordechaj ben Mose. Sie hießen Sara und Jochebed in ihrem Kreis herzlich willkommen, bevor schließlich zuerst der Rabbi, dann alle anderen sich die Hände wuschen und am großen Tisch Platz nahmen. Die Hausfrau entzündete die Kerzen, und dann sprach der Hausherr den Kiddusch über Wein und Brot.
    Sara saß ganz still am schmalen Ende der Tafel. Wie lange war es her, dass sie zum letzten Mal den Schabbatsegen gehört hatte? Fast hatte sie vergessen, wie feierlich es war. Wie ein unsichtbarer Gast trat die Ruhe ein, legte sich über Haus und Hof, ließ die Menschen zu sich kommen. Man vergaß Sorgen und Mühsal, Streit und Ärger. Es schien, als ob die Zeit langsamer verging in diesem Frieden.
    Jetzt erst wurde Sara bewusst, wie sehr sie den Schabbat vermisst hatte.

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