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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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stellte unserem Rabbi hier einen Freibrief aus. Er durfte eine neue Jeschiwa gründen und die Gerichtsbarkeit in der Gemeinde ausüben.«
    »Sogar von der Steuer hat er mich befreit«, ergänzte Rabbi Süßlein. »Überhaupt war der Vorgänger unseres jetzigen Bischofs uns Juden gegenüber sehr freundlich gesinnt, er hat uns geschützt und gefördert. Das lag vielleicht auch daran, dass er einen jüdischen Leibarzt hatte, Seligmann von Mergentheim.«
    Sara kannte den Namen, sie hatte ihn von ihrem Onkel oft gehört.
    »Unter dem neuen Bischof Johann von Brunn, der seit nunmehr vier Jahren im Amt war, geht es uns nicht mehr so gut«, mischte sich jetzt auch der greise Salman Polp in das Gespräch ein. »Er hat zwar einen neuen Freibrief erstellt, der uns Geleit für Leben und Besitz gibt und die Erlaubnis zur Pfandleihe erteilt, aber seit einiger Zeit läßt er auch wieder streng darauf achten, dass wir an den christlichen Feiertagen in unseren Häusern bleiben und auch ja den Judenhut mit Knauf und die safranfarbene Scheibe am Mantel tragen. Auch das alte Verbot, Christen zu beschäftigen, läßt er scharf überwachen und droht seinen Untertanen den Ausschluss aus der Kirche an, wenn sie bei Juden arbeiten.«
    Ich sah zu der Magd hinüber, die in der Küche das Feuer in Gang hielt und am Tisch bediente. Fast jede jüdische Familie, die es sich leisten konnte, hatte solch christliche Dienerschaft, die am Schabbat die Arbeit verrichtete, die den Juden verboten war. Meist waren das arme Leute, Taglöhner oder alleinstehende Frauen, die sich wenigstens an diesem einen Wochentag ein bisschen Geld verdienten.
    Sara spürte der Trauer nach, die in ihr aufgestiegen war. Wieder einmal hatte sie eine Geschichte gehört, die so oder ähnlich auf bald jede jüdische Gemeinde im Reich zutraf. Seit Jahrhunderten waren die Juden auf Gedeih und Verderb den Launen ihrer christlichen Herren ausgeliefert. Sicher fühlen durften sie sich nirgends und nie. Das hatte sie am eigenen Leib erlebt.
    »Man bräuchte eine feste Zuflucht«, dachte Sara laut. »Einen Ort, an den man sich retten könnte, wenn die nächste Gefahr droht.«
    »Genau meine Meinung.« Levi Colner hieb mit der Faust auf den Tisch, was ihm einen missbilligenden Seitenblick seiner Frau eintrug. »Bei den meisten Judenmordzügen war es vorhersehbar«, sagte er, »wann sie Würzburg erreichen würden. Hätten wir in der Nähe eine sichere Rückzugsmöglichkeit gehabt, hätten sich zumindest Weiber und Kinder dorthin flüchten können.«
    Salman Polp hob in einer hilflosen Geste die altersfleckigen Hände. »Wir haben wiederholt beim Bischof angefragt, ob er uns zwei Stadtmauertürme verkaufen könnte. Er hat jedes Mal abgelehnt.«
    »Ihr lieben Freunde, wir wollen doch nicht so schwarz sehen«, warf die Hausfrau ein und stellte einen neuen Krug Elbling auf den Tisch. »Der Herr hat alles eingerichtet, wie es sein soll. Wenn es sein Wille ist, uns zu strafen, hilft die stärkste Festung nichts.«
    Levi Colner runzelte die Stirn. Er teilte die Meinung seiner Frau ganz und gar nicht. Schon wollte er etwas erwidern, besann sich dann aber auf den Schabbatfrieden. »Lasst uns noch ein Lied singen«, bat er.

    An diesem Abend ging Sara zum ersten Mal in ihrem neuen Heim zu Bett. Jochi hatte sich die Bettstatt in der Kammer neben dem großen Schlafzimmer mit einer Unzahl an Kissen und Decken ausgepolstert und schlummerte schon friedlich, als Sara müde in ihre Kissen fiel. Ja, dachte sie, unter diesen Menschen will ich leben. Ich werde ihre Krankheiten und Gebrechen heilen, und ich werde für meine Schwester sorgen. Ich bin nicht mehr heimatlos und alleine. Diese Gemeinde hat mich aufgenommen, und hier will ich bleiben.

    Alles würde gut werden.
    Aus dem Bericht des Efrajim ben Jaquv
... Daraufhin erhoben sich [im Jahr 1147] die Irrenden und der Pöbel … und erschlugen die Juden. Der heilige Rabbi Isak, Sohn des Rabbi Eljakim, ein bescheidener sanftmütiger und ausgezeichnet edler Mann, wurde damals über seinem Buch sitzend umgebracht und noch 21 Personen mit ihm. Unter ihnen befand sich dort ein hebräischer Knabe, ein fleissiger Schüler des Rabbi Schimeon bar Isac; er erhielt zwanzig Verwundungen und lebte danach noch ein ganzes Jahr. Die anderen Juden hatten sich in die Höfe ihrer Nachbarn geflüchtet, des folgenden Morgens flohen sie in die Festung Stuhlbach. Gelobt sei der Herr, der ihnen Rettung verschaffte. Ach meine Seele ist betrübt, schmachtet wie ein lechzendes

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