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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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nicht um mich«, entgegnete die Frau und lächelte verlegen. Erst jetzt fiel Sara ihre Schönheit auf. Sie hatte außergewöhnlich helle Augen und flachsfarbenes Haar, das sie in einem festen Zopf um den Kopf geschlungen hatte. »Das Kind«, sagte sie leise. »Vielleicht könnt Ihr meiner Immina helfen.«
    Mit diesen Worten zog sie die Kapuze vom Kopf der Kleinen.
    Das Mädchen mochte vielleicht sieben Jahre alt sein. Sie hatte die gleichen eisfarbenen Augen wie ihre Mutter, aber dunkles, lockiges Haar. Von der Stirn bis zur Nasenspitze war sie ein hübsches Ding, doch ihre untere Gesichtshälfte war durch eine hässliche, klaffende Hasenscharte entstellt. Die Fehlbildung ließ den Blick auf weit auseinanderstehende, krumm gewachsene und unterschiedlich geneigte Vorderzähne frei.
    »Sie ist so geboren«, erklärte die Frau, und dann senkte sie den Kopf. »Gottes Lohn für meine Sünde«, murmelte sie.
    »Komm her zu mir, Immina«, sagte Sara und streckte die Hand aus. Das Mädchen trippelte heran und setzte sich vertrauensvoll auf ihren Schoß.
    »Und nun mach den Mund ganz weit auf.« Sara zog die Oberlippe hoch und stellte zu ihrer Erleichterung fest, dass der Gaumen nicht komplett gespalten war, sondern sich ein Riss nur andeutete. Es war kein voll ausgebildeter Wolfsrachen, sondern nur eine oberflächliche Missbildung.
    »Wie ist es mit dem Essen und Trinken?«
    »Das geht recht und schlecht«, antwortete die Mutter, »aber sie spricht kaum, und wenn, dann nur mit mir. Die anderen verstehen sie nicht, und deshalb schämt sie sich.«
    Sara nickte. »Heilen kann man so etwas nicht«, erklärte sie. »Das Einzige, was ich tun könnte, ist, die Lippenspalte zu schließen. Dann wird das Sprechen besser sein und auch das Essen. Und man würde die krummen Zähne nicht mehr sehen. Es wäre besser als vorher, aber eine Narbe würde immer bleiben.«
    Das Mädchen schaute zu ihr auf; Hoffnung und Angst lagen in ihrem Blick. Sie sah zu ihrer Mutter hinüber, die gleich wusste, was sie fragen sollte.
    »Wird es sehr schmerzhaft sein?«
    Sara streichelte der Kleinen die Wange. »Ich kann dich vor dem Schneiden und Nähen einschlafen lassen, Schätzchen. Aber hinterher wird es schon wehtun, ein paar Tage lang. Dafür gibt es aber einen süßen Mohnsaft, dann ist der Schmerz schon auszuhalten.«
    »Ach Gott, wenn Ihr meiner Kleinen helfen könntet … «, sagte die Mutter und verschränkte die Hände wie zum Gebet.
    Sara hob die Hände. »Ich muss Euch aber darauf hinweisen«, sagte sie warnend, »dass es mir verboten ist, Christen zu behandeln. Ihr könntet in Schwierigkeiten kommen … «
    Die Frau schüttelte heftig den Kopf. »Ich weiß. Aber das ist mir ganz gleich, solange es dem Kind nur hilft.«
    »Gut, dann kommt morgen früh wieder. Immina muss nüchtern sein, sonst wird ihr vielleicht vom Schlafschwamm übel.«

    »Wisst Ihr, wer Euch da besucht hat?«, fragte Jenta hinterher, als die beiden die Offizin verlassen hatten.
    Sara schüttelte den Kopf.
    »Das war die schöne Richhild aus der Sterngasse, die Liebschaft des Fürstbischofs. Eine seiner vielen Liebschaften, sollte ich lieber sagen. Sie war Wäschemagd auf dem Marienberg, aber seit sie das Kind hat, bekommt sie ein kleines Leibgeding und muss nicht mehr arbeiten. Die Kleine, sagen die Leute, ist die Strafe des Himmels dafür, dass sie und der Bischof das Gebot der Keuschheit missachtet haben.« Jenta wusste immer alles.
    Der Bankert des Bischofs also! Sara überlegte kurz, ob es die Obrigkeit dazu bewegen würde, einzuschreiten, wenn sie dieses besondere Kind behandelte. Dann verwarf sie den Gedanken wieder. Sie konnte der kleinen Immina helfen, und nur das zählte.
    Also führte sie die Operation am nächsten Tag durch, so gut sie konnte. Sie beschnitt die Hasenscharte, um frische Wundränder zu schaffen, und nähte diese dann mit dem feinsten Faden zusammen, den sie hatte finden können. Anschließend reinigte sie die Naht mit einer Mischung aus Alaun und Essig. Sie gab der Mutter etwas davon in einem Fläschchen mit, das sie dreimal am Tag mit einer Feder auf die heilende Wunde pinseln sollte. Und eine Phiole mit Mohnsaft zum Lindern der Schmerzen. Das Mädchen war schnell aus dem Schlaf erwacht – Sara war im Lauf der Zeit immer sicherer im Berechnen der Dosierung für den Schlafschwamm geworden; wenn es auch vor Schmerz weinte, so wirkte es trotz einiger Benommenheit glücklich und erleichtert.
    Nach drei Tagen war alles so weit verheilt, dass es keine

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