Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
Nichte einfach einen Mann und Kinder, schließlich war sie längst im richtigen Alter. Aber halt, das ging ja nicht, sie war ja schon verheiratet. Da gab es ja noch diesen – wie hieß er doch noch gleich? –, vor dem sie davongelaufen war. Der sie vielleicht immer noch suchte und sie niemals freigeben würde. »Ojojoj«, murmelte Jehuda vor sich hin und zupfte dabei an seinem Bart. Das war schon eine verfahrene Geschichte.
Sara sah ihren Onkel von der Seite her an. Sie wusste, dass es jetzt besser war, nichts mehr zu sagen. Es war schon ein großes Entgegenkommen von ihm gewesen, sie bei der Krankenbehandlung helfen zu lassen – und das hatte er auch nur erlaubt, weil die gute Jettl ihm kurzerhand mitgeteilt hatte, sich in Zukunft nur noch der Hausarbeit zu widmen, jetzt, wo Sara da war. Vielleicht hab ich mir zu viel erwartet, dachte Sara, während sie zum Doktorshaus zurückgingen. Ich sollte zufrieden mit dem sein, was ich jetzt tue, und dankbar dafür, dass mein Leben eine gute Wendung genommen hat.
Aber dann ballte sie die Fäuste in den Rocktaschen. Sie war nun einmal nicht zufrieden …
Budapest, zur selben Zeit
Geit Wochen war der Hof in heller Aufregung. In Küche und Keller wurden massenhaft Vorräte angeschafft und eingelagert, Gästezimmer und Ställe wurden in der ganzen Stadt gemietet, die Wohnräume der Burg geputzt und ausgestattet. Aus Brettern und Blöcken zimmerte man einfache Tische und Bänke zurecht, Strohsäcke für Nachtlager wurden befüllt, Laken und Leintücher genäht, Gänsedaunen in Kissen gestopft. Ganze Ochsenherden aus Böhmen wurden durch die Stadt getrieben und in Mastställen untergebracht. Bei den Apothekern der Stadt bestellte man allerlei Spezereien und Süßigkeiten, die Bäcker wurden angewiesen, Mehl genug für Hunderte von Broten jeden Tag zu bevorraten. Die Kerzenzieher zogen jede Nacht Unmengen an Lichtern. In der Burgküche mauerte man einen eigenen Pastetenofen auf. Wäscherinnen, Stallknechte und andere Dienerschaft wurden aushilfsweise bestallt, Küchenutensilien eingekauft: Mörser, leinene Streichtücher, Kessel, Dreifüße, Bratspieße und -böcke, eiserne Löffel, Bankschaber und Roste. Aus der Kanzlei nahm man alte Akten, um daraus Hüllen für ein großartiges Feuerwerk zu basteln. Im Marstall wurden täglich Säcke mit Hafer, Einstreu und Häcksel angeliefert. Der Keller schaffte neue kupferne Stutzen, Blechkannen, Lasshähne, Fassbohrer, Kloben und Schläuche an, und ein schwerer Wagen nach dem anderen lieferte wohlgefüllte Weinfässer, die der Kellner mit Kreide kennzeichnete. Kerbhölzer wurden verglichen, Beutel mit Geld wechselten den Besitzer. Ein Turnier kam den Veranstalter teuer.
Ezzo kontrollierte wohl zum hundertsten Mal seine Ausrüstung. Sein Schwert war rasiermesserscharf und glitt leicht in der gefetteten Scheide hin und her. Jedes Metallstück am Gehänge glänzte sauber poliert. Das Leder des Brustharnisches war weich und geschmeidig vom Wollfett, ebenso der Beinschutz. Alle Scharniere der leichten Rüstung bewegten sich reibungslos. Sporen und Trense waren frisch geputzt, der Sattel gewienert. Für den Buhurt, der zu Mittag als Turnierauftakt geplant war, brauchte Ezzo nur den leichten Sattel; der schwerere Sattel für das Gestech, das »Hohe Zeug«, hing noch an der Stallwand. Zum Tjost war Ezzo nicht zugelassen, schließlich war er noch kein Ritter. Dass er beim Buhurt mitmachen durfte, verdankte er dem Burggrafen Friedrich von Nürnberg. Hier traten die hohen Herren mit ihren Mannschaften gegeneinander an, jeder umgab sich dabei mit einer gewissen Anzahl an Kämpfern. Und der Markgraf, der Ezzos Reit- und Fechtkünste in den letzten Wochen beobachtet hatte, hatte ihn als Beikämpfer ausgewählt.
Der Stallknecht hatte derweil dem Pferd die lederne Roßstirn angelegt und die Steigbügel eingestellt. Er würde den Braunen, der nervös mit den Hufen stampfte, gleich in den Hof führen und ihm dort zur Beruhigung einen Eimer Bier zu saufen geben, dann war der Wallach einsatzbereit.
Ezzo ließ sich von einem Knappen in den Harnisch helfen und achtete peinlichst genau darauf, dass alle Schnallen fest geschlossen und alle Bänder gut verzurrt waren. Auch er war aufgeregt. Es war sein erstes öffentliches Turnier, eine Bewährungsprobe, die er lange herbeigesehnt hatte. Oh, er wusste, wie gefährlich solche Schaukämpfe waren! Das Turnier war kein Spiel, in das man leichtfertig hineingehen durfte. Viele waren schon bei Tjost und Buhurt
Weitere Kostenlose Bücher