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Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick deWitt
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Sporen in die Seite – und es legte sich platt auf die Erde.

Es war schon dunkel, als wir die nächste Stadt erreichten, und der Handelsposten hatte schon geschlossen. Aber die Tür war offen, und der Schornstein rauchte, also klopften wir und betraten den Laden. Dort war es warm und still, und es roch durchdringend nach lauter neuen Sachen, die in den Regalen lagen: Hosen und Hemden und Unterhemden und Strümpfen und Hüten. Charlie stampfte mit dem Absatz auf, und plötzlich tauchte durch einen schwarzen Samtvorhang ein rüstiger Alter auf, der nur mit einem ausgeleierten langen Unterhemd bekleidet war. Unseren Gruß erwiderte er nicht, lief jedoch mit einem brennenden Fichtenspan den Tresen entlang und entzündete Lampe um Lampe, bis alles in goldenes Licht getaucht war. Danach ging er hinter dem Tresen in Position und sah uns, die Hände aufgestützt, erwartungsvoll lächelnd an.
    »Ich suche ein paar neue Kleidungsstücke«, sagte Charlie.
    »Komplettausstattung?«, fragte der alte Mann.
    »Erst einmal nur ein neues Hemd.«
    »Ihr Hut sieht arg zerschlissen aus.«
    »Was haben Sie denn an Hemden?«, fragte Charlie.
    Der Alte schätzte Charlies Brustumfang, sein geübtes Auge benötigte dazu kein Maßband. Dann kletterte er rattenflink eine Leiter hoch und zog einen schmalen Stoß Hemden aus dem Regal. Diese gab er Charlie zur Ansicht. Während Charlie die Hemden musterte, fragte mich der Alte: »Und Sie, Sir?«
    »Danke, aber ich brauche nichts.«
    »Ihr Hut ist gleichfalls arg zerschlissen.«
    »Mein Hut gefällt mir so, wie er ist.«
    »Das scheint mir auch«, sagte der Alte. »In Anbetracht der Schweißflecken kennen Sie sich schon länger, Sie und Ihr Hut.«
    Ich wurde rot und sagte: »Entspricht es den guten Sitten, sich über die Garderobe anderer Leute lustig zu machen?«
    Die schwarzglänzenden Augen des Mannes erinnerten an einen Maulwurf oder einen anderen Vertreter der wühlenden Zunft. Alles an ihm funktionierte flink und zielgenau. Er sagte: »Sir, nichts läge mir ferner. Es ist vielmehr, ich gestehe, eine Berufskrankheit. Meist dauert mich der Anblick von schäbiger Kleidung derart, dass mich ein tiefes Mitgefühl mit ihrem unglücklichen Träger ergreift.« Er blickte mich mit großen unschuldigen Augen an, zugleich platzierten seine Hände drei Hüte auf dem Tresen.
    »Haben Sie mir nicht zugehört, als ich sagte, ich bräuchte nichts?«, fragte ich.
    »Aber eine kurze Anprobe tut nicht weh«, sagte er und stellte einen Spiegel vor mir auf. »So vergeht doch auch die Zeit viel angenehmer, während sich Ihr Freund sein neues Hemd auswählt.« Vor mir lagen drei Hüte in den Farben Schwarz, Schokoladenbraun und Dunkelblau. Als ich meinen eigenen Hut danebenlegte, fiel der Vergleich für Letzteren nicht gut aus, und ich sagte, probieren könne ich ja mal. Da bellte der Alte nach hinten: »Lappen!« Worauf ein schwangeres und abgrundhässliches Mädchen erschien und mir einen kochend heißen Lumpen zuwarf. Im nächsten Moment war sie wieder hinter dem Vorhang verschwunden, und ich jonglierte den Lappen zwischen meinen Händen wie eine heiße Kartoffel. Unterdessen erklärte mir der Alte: »Wenn Sie gestatten, Sir, reinigen Sie sich kurz Hände und Gesicht. Ich kann nicht zulassen, dass meine Ware von jeder Kundschaft, die zufällig mein Geschäft betritt, beschmutzt wird.« Ich machte mich also an meine Reinigung, während er seine Aufmerksamkeit wieder auf Charlie richtete, der soeben die perlmuttenen Druckknöpfe eines schwarzen Kattunhemds schloss. »Sitzt wie angegossen«, sagte der Alte, und Charlie betrachtete sich im langen Spiegel, indem er sich mal auf die eine, mal auf die andere Seite drehte. Dann, die Brauen fragend erhoben, wandte er sich zu mir.
    »Sieht gut aus«, sagte ich.
    »Ich nehme es«, sagte Charlie.
    »Und wie gefällt Ihnen dieser Hut auf Ihrem Freund?«, fragte er und setzte mir blitzschnell den schokoladenbraunen Hut auf. Charlie betrachtete mich von der Seite und fragte nach dem schwarzen, der mir nur eine Sekunde später auf dem Kopf saß. Charlie nickte und sagte: »Schlag zu, etwas Besseres als das kriegen wir für dich nicht. Und da wir schon einmal dabei sind, hätte ich gern den blauen gesehen.«
    »Lappen!«, bellte der Alte erneut, und abermals schoss wortlos das Mädchen hervor und feuerte ihren Lappen ab. Charlie wischte sich damit über die Stirn und feixte: »Sag bloß, das ist deine Frau, alter Mann.«
    »Das ist sie in der Tat«, erklärte der Alte

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