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Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick deWitt
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fünf Leichen, die mit dem Gesicht zur Erde lagen – alle weit auseinander. Charlie erzählte mir die Geschichten ihres Todes, während er ihre Taschen und Beutel nach Wertsachen durchsuchte. »Dieser Fettsack hier war ein harter Hund. Ich wollte vernünftig mit ihm reden, doch er musste vor seinen Freunden unbedingt den Mutigen spielen. Also stopfte ich ihm sein großes Maul mit Blei, worauf sie alle stiften gingen. Daher liegen sie jetzt überall verstreut mit Eintrittswunden im Rücken.« Er kniete sich neben eine schmächtige Gestalt. »Ich schätze, der hier ist nicht älter als sechzehn. Das kommt davon, wenn man sich mit solchen Hitzköpfen auf die Reise begibt.«
    Ich sagte nichts. Charlies Blick forderte eine Reaktion, aber ich zuckte nur mit den Schultern.
    »Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?«, fragte er. »Ich weise dich darauf hin, dass du an der Sache nicht ganz unbeteiligt bist.«
    »Warum denn das? Ich wollte nicht in dieser Hütte übernachten.«
    »Aber nur wegen deines Zahnwehs mussten wir überhaupt eine Pause einlegen.«
    »Daran war die Spinne in meinem Stiefel schuld, wegen ihr bin ich überhaupt krank geworden.«
    »Willst du der Spinne tatsächlich die Schuld geben?«
    »Ich will überhaupt keinem die Schuld geben. Du hast damit angefangen.«
    Und Charlie richtete das Wort an die versammelten Toten und sagte: »Meine Herren, ich kann Ihnen mitteilen, dass an dem allzu frühen Heimgang Ihrer Reisegruppe lediglich eine Spinne schuld ist. Eine fette, haarige Spinne, die lediglich auf der Suche nach ein bisschen menschlicher Wärme war. Betrachten Sie dieses Getier also als Ihre offizielle Todesursache.«
    Daraufhin sagte ich: »He, Bruder, ich sage doch nur, dass der Tod dieser Männer eine Schande ist, das ist alles.« Mit der Stiefelspitze rollte ich den Jungen auf den Rücken. Sein Mund ging auf und zeigte zwei große Hasenzähne.
    »Was haben wir denn hier für einen Hübschen?«, sagte Charlie, aber dann war ihm doch nicht zum Spaßen zumute, das sah ich. Er spuckte aus und warf eine Handvoll Erde über seine Schulter. »Alle diese Leute, die in Kalifornien ihr Glück suchen, wären besser zu Hause geblieben. Auf dem eigenen Stückchen Erde kann man auch sein Auskommen haben.«
    »Ich kann sie verstehen«, sagte ich. »Sie suchten das Abenteuer.«
    »Und haben es gefunden.« Er machte sich wieder an die Durchsuchung ihrer Taschen. »Der hier hat eine schöne Taschenuhr, willst du sie haben? Hier, fühl mal, wie schwer sie ist.«
    »Lass dem Mann seine Uhr«, sagte ich.
    »Mir wäre wohler, wenn du auch etwas mitnehmen würdest.«
    »Da wäre mir nicht wohl dabei. Lass die Uhr stecken oder nimm sie selber, ich will sie nicht.«
    Er hatte sogar ihre Pferde erschossen. Die Pferde lagen zusammen auf einem Haufen in einem Graben unweit des Lagers. Normalerweise hätte mich das nicht gejuckt, aber zwei davon waren richtig gute Pferde, viel besser als mein eigenes. Darauf machte ich Charlie aufmerksam, doch er wurde sehr ungehalten und sagte: »Na klar sind sie besser. Und auch ihre Brandzeichen sind viel besser! Mit solchen Brandzeichen reitet man gern nach Kalifornien – zumal die Männer dort schon erwartet werden.«
    »Kein Mensch erwartet sie in Kalifornien. Du weißt so gut wie ich, dass man nirgends so gut untertauchen kann wie in Kalifornien.«
    »Eli, ich habe dir bereits gesagt, das Thema Pferd ist durch.«
    »Das glaubst auch nur du !«
    »Von mir aus. Aber für heute ist Schluss. Teilen wir lieber das Geld.«
    »Du hast die Männer erschossen, also gehört dir auch ihr Geld.«
    »Ich habe diese Männer erschossen, weil ich dich aus der verfluchten Hütte holen wollte«, entgegnete er. Also nahm ich doch etwas von dem Geld, aber keine Münzen, was ihn erneut aufbrachte. »Wie du willst, ich zwinge niemanden. Im Übrigen brauche ich neue Sachen zum Anziehen. Meinst du, dein elender hirnloser Klepper schafft es bis zur nächsten Stadt, ohne sich und andere in einen Abgrund zu stürzen? He, was soll das? Was gibt es da zu grinsen? Wir streiten, da hast du nicht zu grinsen.« Was gar nicht zutraf, ich verzog keine Miene. Aber dann schon, ein wenig. »Hör auf damit«, sagte Charlie. »Das tut man nicht, man grinst nicht, wenn man sich streitet, das weißt du genau. Du musst kochen vor Wut und mich verwünschen und dabei noch einmal alle Niederträchtigkeiten durchleiden, die ich dir als Kind angetan habe.«
    Dann brachen wir auf und ritten los. Ich stieß meinem Pferd Tub die

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