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Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick deWitt
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für den klugen Mann Geld drin.«
    »Zieh doch einfach durchs Land und lass dir von jedem Unzufriedenen eine aufs Maul hauen, natürlich gegen Entgelt.«
    »Ich meine es ernst. Hier in dieser Flasche ist etwas, das das Unmögliche möglich macht.«
    »Warte ab, bis die Wirkung nachlässt, und sag mir dann noch einmal, wie du dich fühlst.«
    Auch sein Mund hing inzwischen herunter, und Spuckefäden zogen sich über sein Kinn. »Ich sabbere ja schon«, sagte er und versuchte die Spucke wegzuschlürfen. Achselzuckend legte er Spritze und Fläschchen weg und sagte, er wolle in den Saloon. Er lud mich sogar ein mitzugehen, obwohl ich eigentlich keinen Wert darauf legte. Zuzusehen, wie er sich mit Brandy vollschüttet, ist nicht schön. Doch die Aussicht auf einen einsamen Abend in diesem heruntergekommenen Hotelzimmer erfreute mich ebenso wenig. Die von Feuchtigkeit gewellten Tapeten, der Staub, der kalte Zug durch jede Ritze und die abgestandenen Gerüche der früheren Gäste, all das kann selbst den Stärksten mutlos machen. Und das Ächzen der Sprungfedern unter dem Gewicht des Ermatteten ist so ziemlich das einsamste und verlassenste Geräusch der Welt.

Ich erwachte früh und mit bohrendem Kopfweh, was aber weniger an dem Brandy lag als an meiner Erschöpfung, gegen die auch der Schnaps nicht geholfen hatte. Ich tauchte mein Gesicht in Wasser und putzte mir die Zähne. Vom offenen Fenster her traf eine frische Brise meinen schmerzenden Schädel. Es war noch kalt draußen, trotzdem lag eine gewisse Wärme in der Luft, ein Vorbote des Frühlings, was mich mit großer Befriedigung erfüllte. Ich trat an Charlies Bett, um zu sehen, wie weit er in den Tag vorangekommen war. Nicht sehr weit, wie man zugeben musste, auf jeden Fall nicht so weit wie ich.
    »Vorhin ging es mir auch noch schlecht«, sagte ich zu ihm. »Aber das ist vorbei. Ich glaube, das Zahnpulver enthält irgendetwas Heilendes.«
    »Sag ihnen, sie sollen mir ein Bad einlassen«, krächzte er, vergraben unter Decken und Laken. »Aber heiß. Die Frau soll es richtig heiß machen, kochend heiß.«
    »Ein Wannenbad kostet fünfundzwanzig Cent«, sagte ich. So stand es zumindest unten auf dem Schild. Ich erwähnte das, weil es bei uns zu Hause nur fünf Cent kostete. Doch Charlie war der Preis völlig egal. »Von mir aus fünfundzwanzig Dollar. Jetzt hilft nur noch ein Bad. Aber heiß muss es sein, so heiß, dass man eine Suppe davon kochen kann. Außerdem brauche ich etwas vom Apotheker.«
    Ich sagte: »Ich frage mich, ob der Kommodore einen Anführer gutheißt, der sich so häufig von den Folgen übermäßigen Alkoholkonsums kurieren muss.«
    »Hör auf«, sagte er. »Geh und such die Frau. Aber kochend heiß, höllenheiß, sag ihr das.«
    »Okay. Danach gehe ich zur Apotheke.«
    »Und ein bisschen dalli, wenn ich bitten darf.«
    Ich fand die Frau unten an der Rezeption, wo sie gerade einen Kissenbezug flickte. Sie war mir anfangs gar nicht aufgefallen, doch jetzt sah ich, dass sie eigentlich ganz hübsch war. Jung, etwas blass, etwas dicklich, aber alles noch fest und stramm. Die Haare klebten ihr an der schweißnassen Stirn, denn sie arbeitete schnell und mit weit ausholenden Bewegungen. Ich klopfte auf den Tresen der Rezeption. Sie hob – unverhohlen gereizt – den Blick.
    »Mein Bruder leidet unter der Branntwein-Krankheit und bedarf eines kochend heißen Bades.«
    »Dreißig Cent«, schnarrte sie. Ich blickte auf das Schild über ihrem Kopf, auf dem fünfundzwanzig Cent geschrieben stand, aber sie sagte, noch ehe ich meinen Einwand äußern konnte: »Fünfundzwanzig Cent war gestern, heute kostet es dreißig. Und wenn Sie noch länger warten, fünfunddreißig.«
    »Schildermaler müsste man sein«, sagte ich. Das Mädchen nähte ungerührt weiter, doch so schnell gab ich nicht auf. »Am besten ich bezahle sofort«, sagte ich, »bevor die Preise noch weiter steigen.« Nicht einmal meine lustige Bemerkung konnte diesem ausgebeuteten Wesen ein Lächeln entlocken. Mein letzter Versuch, sie irgendwie aus der Reserve zu locken: die Zwanzig-Dollar-Münze, mit der ich bezahlte. Zwar betrachtete sie das schwere Geldstück misstrauisch, ließ es dann jedoch achtlos in ihre Kitteltasche gleiten und gab mir einen Haufen Kleingeld zurück. Da sie aus ihrer Abneigung keinerlei Hehl machte, hielt ich es für ratsam, sie wenigstens vorzuwarnen. »So geduldig wie ich, Madam, ist mein Bruder nicht. Außerdem ist er heute Morgen übelster Stimmung. Er will ein kochend

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