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Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick deWitt
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Art von Hose. Er spuckte in den Spucknapf, würgte unter Krämpfen seine Galle hervor, sein ganzes Gift. Schwer atmend hob er den Finger, wie um mich dazubehalten. »Geh nicht weg«, sagte er, worauf das widerliche Würgen erst einmal weiterging. Mit zitternden Knien nahm ich mir einen Stuhl und wünschte mir das Unmögliche: dass ich nämlich seine Rede nie gehört hätte. Dann hielt ich es nicht länger aus, ich stand auf, deponierte das Morphium auf dem Stuhl und deutete auf die Tür, als hätte ich draußen noch etwas Dringendes zu besorgen. Ich glaube, er bemerkte mein Gehen gar nicht, so sehr war er mit seiner Kotzerei beschäftigt.

Zunächst wusste ich nicht wohin, und wollte auch vermeiden, dass die Leute meine Traurigkeit sahen. Ich stand deshalb ein paar Minuten im Flur herum, rang nach Luft und wollte alle Gedanken aus meinem Kopf verbannen. Mir fiel auf, dass die Kerze, die ich zuvor angezündet hatte, schon wieder gelöscht war, vermutlich von der Zugluft. Allerdings war auch das Streichholz verschwunden. Ich zündete also die Kerze abermals an und legte das Streichholz wie zuvor ordentlich an den schwarzen Kerzenhalter – eine Botschaft an eine Unbekannte, meine Botschaft an die Hotelfrau. Oder sollte ich ihr besser eine richtige Nachricht hinterlassen? Leider hatte ich weder Papier noch Tinte noch wirklich etwas zu sagen. Denn was schreibt man da? Geehrtes Fräulein, ich wollte, Sie wüschen sich das Gesicht und wären etwas freundlicher zu mir. Ich habe Geld. Wollen Sie etwas davon abhaben? Ich weiß sowieso nicht, was ich damit machen soll.
    Zwanzig Minuten hockte ich auf der Treppe, dann ging ich in unser Zimmer zurück. Charlie saß auf dem Bett. Er trug sein neues Hemd, aber keine Hose. Er hatte einen von seinen neuen Stiefeln in der Hand und betrachtete ihn verzückt. Ein Drittel des Morphiums fehlte, Charlie stand ganz unter dem Einfluss der Droge. Er hatte diesen belämmerten Zug um die Augen, war aber selig wie die Sau in der Suhle.
    »Sind die Kopfschmerzen weg, Bruder?«
    »Nein, das Biest lebt noch, aber wenn man genug von dem Zeug nimmt, kümmert es einen nicht mehr.« Er blickte in das Innere seines Stiefels und sagte ernst: »So viel Handwerkskunst kann unsereinen nur beschämen.«
    In diesem Moment verabscheute ich ihn aus ganzer Seele. Ich sagte: »Wenn man bedenkt, welches Bild du abgibst: ja.«
    Seine Augenlider flatterten wie eine Jalousie, an der ein mutwilliges Kind spielt. Er zuckte die Achseln und sagte: »Egal, am Ende sind wir die Stärkeren …«
    »Wann willst du aufbrechen?«
    Er erwiderte mit geschlossenen Augen: »In diesem Zustand kann ich nicht reiten. Auf einen Tag mehr oder weniger in dieser Stadt kommt es nicht an. Die Frau sagte etwas von einem Duell morgen früh. Das warten wir noch ab, dann reiten wir weiter.«
    »Wie du meinst.«
    Seine Augen öffneten sich zu schmalen Schlitzen. »Ist was? Du bist doch sonst nicht so?«
    »Nein, ich bin so wie immer.«
    »Du hast mich vorhin gehört, stimmt’s?« Ich antwortete nicht, und seine Augen gingen ganz auf. »Dachte doch, dass ich dich da draußen höre. Aber der Lauscher an der Wand … hört seine eig’ne Schand.« Plötzlich klappte er nach vorn, und ein gelber Gallestrahl ergoss sich auf den Boden. Dann hob er den Kopf, sein ganzes Gesicht war besudelt, doch sein Lippen formten ein teuflisches Grinsen. »Jetzt hätte ich um ein Haar in meinen neuen Stiefel gekotzt. Wirklich, da fehlte nicht viel. Nicht auszudenken, wie ärgerlich das gewesen wäre.«
    »Wir sehen uns später«, sagte ich.
    »Nein, bleib hier«, sagte er. »Mir geht es gar nicht gut. Und es tut mir leid, wenn ich dich vorhin verletzt habe. Es war nur so dahingesagt.«
    »Ich wäre jetzt lieber allein. Du, trink dein Morphium und leg dich schlafen.«
    Ich wandte mich zur Tür, entschlossen, ihm keine Sekunde länger zuzuhören. Er aber redete einfach weiter. »Ich sag dir, der Brandy war vergiftet …« Abermals würgte er an den Folgen. »So schlecht habe ich mich nach einer Sauferei noch nie gefühlt …«
    »Ich habe auch von dem Branntwein getrunken und habe keine Vergiftung.«
    »Du hast auch nicht so viel getrunken wie ich.«
    »Wie schön, dass ein Trunkenbold nie selbst an seinem Zustand schuld ist.«
    »Jetzt bin ich für dich also schon ein Trunkenbold?«
    »Mir egal, was du bist. Für heute habe ich genug von dir. Ich muss mich um die Fäden kümmern. Wir sehen uns später. In der Zwischenzeit rate ich von weiteren Saloon-Besuchen

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