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Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick deWitt
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Ruhe, wie es so schön heißt.«
    »Und wie ging es dann weiter?«
    »Na ja, nachdem Tom tot war, verkauften wir sein Pferd und wollten auch seinen Wagen verkaufen, aber den wollte niemand haben wegen der schlechten Ausstattung. Jetzt standen wir da, mit zwei Ochsen, die plötzlich drei Wagen ziehen sollten, aber das war noch nicht alles. Die Ochsen sind dann verhungert und verdurstet und auch weil ihr ganzer Rücken zerschlagen war, weil sie ohne Peitsche keinen Schritt mehr gegangen sind, und übrig waren plötzlich nur noch ich und mein Dad und Onkel Jimmy. Jetzt mussten die Pferde die Wagen ziehen, und das Geld ging uns aus und auch das Essen, und eines Tages sahen wir uns an und dachten alle dasselbe: verfluchte Scheiße.«
    »War dein Onkel Jimmy auch so unfreundlich?«, fragte ich.
    »Nein, ich mochte ihn eigentlich immer. Bis er uns das letzte Geld geklaut hat und ebenfalls abgehauen ist. Das war vor zwei Wochen. Keine Ahnung, wohin er gegangen ist, aber seitdem sitzen Dad und ich hier fest und wissen nicht mehr, was wir machen sollen. Er ist dann wie gesagt vor einer Woche aufgebrochen und müsste eigentlich bald wieder da sein. Ich weiß gar nicht, was er so lange macht, und bin euch zu Dank verpflichtet für das Essen. Gestern hätte ich fast einen Hasen geschossen, aber sie sind schwer zu treffen, außerdem geht meine Munition zur Neige.«
    »Und wo ist deine Mutter?«, fragte Charlie.
    »Tot.«
    »Das tut mir leid.«
    »Danke, aber sie war schon immer tot.«
    »Erzähl uns von deinem Mädchen.«
    »Sie heißt Anna, und ihre Haare haben die Farbe von Honig. So feines Haar hat man noch nie gesehen, und es ist endlos lang. Ich liebe sie.«
    »Löst deine Liebe bei ihr reziproke Gefühle aus?«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Liebt sie dich ebenfalls?«
    »Nein, glaub ich nicht. Einmal wollte ich sie küssen, aber sie stieß mich weg und sagte, wenn ich das noch einmal mache, sagt sie es ihrem Vater und ihren Brüdern, die schlagen mich dann zusammen. Aber sie wird ihre Meinung schon ändern, wenn ich mit Taschen voller Geld zurückkomme. Man muss nämlich wissen, in den Flüssen von Kalifornien kommen die Nuggets nur so angekullert, man braucht eigentlich nur die Pfanne hinhalten.«
    »Das glaubst du wirklich?«, fragte Charlie.
    »Es stand in der Zeitung.«
    »Dann mach dich auf was gefasst.«
    »Wenn ich bloß schon da wäre. Ich habe keine Lust mehr, hier länger sinnlos herumzusitzen.«
    »Du bist nicht mehr weit von Kalifornien entfernt. Es beginn eigentlich gleich hinter dem Pass dort.«
    »Dahin ist auch Daddy geritten.«
    Charlie lachte auf.
    »Was ist so lustig daran?«, fragte der Junge.
    »Nichts«, sagte Charlie. »Er hat wohl nur einen kurzen Ritt gemacht, um sich schon mal ein paar Goldklumpen zu schnappen, und ist zum Abendessen wieder da.«
    »Sie kennen meinen Vater nicht.«
    »Von mir aus.«
    Der Junge zog trotzig die Nase hoch und wandte sich zu mir. »Sie haben mir noch nicht von Ihrem Mädchen erzählt. Was hat sie für eine Haarfarbe?«
    »Kastanienbraun.«
    »Schlammbraun trifft es eher.«
    »Warum sagst du das?«, fragte ich Charlie und sah ihn an. Natürlich sagte er nichts.
    »Und wie heißt sie?«, fragte der Junge.
    Und ich: »Das muss ich noch herausfinden.«
    Mit einem Stöckchen kratzte der Junge einen Strich in die Erde. »Sie wissen nicht einmal, wie sie heißt?«
    »Sie heißt Sally«, sagte Charlie. »Und wenn du jetzt neugierig geworden bist, warum ich das weiß und mein Bruder nicht, dann sollte er sich ein Beispiel an dir nehmen.«
    »Was soll das heißen?«, unterbrach ich. Er sagte immer noch nichts, und ich stand auf. »Was zum Teufel soll das heißen?«
    »Langsam, langsam. Ich sage das nur, um dich nicht länger im Unklaren zu lassen.«
    »Und das bedeutet?«
    »Das bedeutet, dass ich für lau bekommen habe, wofür du fünf Dollar bezahlt hast, wohlgemerkt, ohne es zu bekommen.«
    Ich wollte noch etwas sagen, aber mir fehlten einfach die Worte. Dann erinnerte ich mich, wie die Hotelfrau mir auf der Treppe entgegengekommen war. Sie war bei Charlie gewesen, um ihm heißes Wasser zu bringen – eigentlich. Aber worüber war sie dann so aufgebracht? »Was hast du ihr getan«, rief ich.
    »Getan? Ich? Gar nichts. Ich dachte mir nichts Böses, aber sie hat mir gleich ihren Tarif genannt. Mit der Hand: fünf Cent. Mit dem Mund: einen Dollar. Und für noch einmal fünfzig Cent das volle Programm. Ich habe mich für das volle Programm entschieden.«
    Mein Schädel

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