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Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick deWitt
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man Geld zu viel hat, kauft man seine Ausrüstung in der Stadt. Aber das machen nur Dummköpfe.«
    Da ich darauf nichts erwidern konnte, stieß er mir abermals den Lauf ins Bein und sagte: »He, ich rede mit dir.« Aber was sollte ich sagen? Also stieß er mich wieder.
    »Hören Sie auf, mir Ihr Gewehr ins Bein zu rammen.«
    Er stieß mich gleich wieder. »Das gefällt dir wohl nicht?« Und stieß mich noch einmal.
    »Ich möchte nur, dass Sie damit aufhören.«
    »Und du glaubst, mich kümmert es, was du willst?« Noch einmal stieß er zu, und mein Bein tat schon tüchtig weh davon. Da knackte irgendwo in der Nähe ein Zweig, und ich spürte, wie der Stahl von mir abließ, als sich der Goldsucher nach dem Geräusch umdrehte. Mir den Lauf zu schnappen und ihm damit zugleich das ganze Gewehr zu entwinden, war eine Kleinigkeit. Worauf der Goldsucher die Flucht ergriff und in den dichten Wald rannte. Ich hingegen brauchte ihn nur ins Visier zu nehmen und abzudrücken, doch dieser Schießprügel war nicht einmal geladen. Ich griff daher zu meinem Revolver, im selben Moment trat Charlie aber hinter einem Baum hervor und schoss den Goldsucher seelenruhig über den Haufen. Es war ein Kopfschuss, der dem Mann den gesamten Hinterkopf absprengte, etwa so, als hätte der Wind ihm die Kappe vom Kopf gerissen. Ich stieg von meinem Pferd Tub und humpelte zu dem zuckenden Körper. Mein Bein brannte vor Schmerz, weswegen ich innerlich kochte. Wutentbrannt hob ich meinen Fuß an und trat mit dem Absatz und mit meinem ganzen Gewicht auf das klaffende Loch, wodurch der ganze Schädel einbrach und plattgedrückt wurde und als solcher nicht mehr zu erkennen war. Als ich meinen Stiefel wieder zurückzog, war da nichts als nasser Matsch. Dann entfernte ich mich von der Leiche, aber ohne bestimmte Absicht außer der Flucht vor meinem eigenen Zorn. Charlie rief mir hinterher, kam mir aber nicht nach, da er wusste, dass man mich in solchen Augenblicken besser allein ließ. Ich ging eine halbe Meile, dann setzte ich mich unter eine mächtige Pinie, wo ich meine Knie an die Brust zog und abwechselnd den ganzen Körper anspannte und locker ließ. Einmal dachte ich, ich breche mir den eigenen Kiefer, so sehr knirschte ich mit den Zähnen, und schob deshalb meine lederne Messerscheide dazwischen.
    Als ich wieder aufstand, zog ich mir die Hose hinunter, um mein Bein zu untersuchen. Alles war rot und geschwollen, und der Abdruck der Mündung, besser, die vielen Abdrücke derselben, zeichneten sich auf der Haut deutlich ab. Sechs waren es mindestens. Als ich das sah, wurde ich abermals mehr als wütend, weswegen ich mir auch wünschte, der Goldsucher würde wieder zum Leben erwachen, damit ich ihn eigenhändig töten könnte, nur langsamer. Kurz überlegte ich sogar, ob ich noch einmal zurücksollte, um seine Leiche weiter zu malträtieren und ein ganzes Magazin in seinen Bauch zu entleeren. Ich entschied mich, Gott sei Dank, aber dagegen. Da ich bereits mit heruntergelassenen Hosen dastand, nahm ich stattdessen mein Geschlechtsteil in die Hand, um mich zu beflecken. Früher, als junger Hitzkopf, riet mir meine Mutter regelmäßig dazu, mich dergestalt abzuregen, und es hat mir seither gute Dienste erwiesen. Als ich damit fertig war, ging ich zum Fluss zurück, wo ich mich zwar ausgepumpt fühlte, aber auch ruhig und abgeklungen. Ich weiß eigentlich gar nicht, was einen Menschen dazu bringt, ein brutaler Patron zu werden. Mein Vater, das steht fest, war ein brutaler Mensch und hat mich und Charlie regelmäßig verdroschen und meine Mutter auch. Das raubt mir bis heute den Verstand und treibt mich in den Wahnsinn.
    Später entdeckte ich sogar den sogenannten Tunnel des Goldsuchers. Irgendwie hatte ich mir einen mannshohen Stollen vorgestellt, mit Holzstützen und Laternen und so weiter, aber er war gerade groß genug, dass man hindurchkriechen konnte, und lag außerdem an der schmalsten Stelle des Flusses, war also nur wenige Meter lang. Dahin schafften wir die Leiche des Mannes. Dann ritt ich mit meinem Pferd Tub darüber, bis alles zertrampelt und eingestürzt war. An persönlichen Habseligkeiten trug er wenig bei sich: ein Taschenmesser, eine Pfeife sowie einen Brief, den wir mit ihm begruben und in dem stand:
    Liebe Mutter,
    ich bin ganz allein in dieser Einöde und sehr einsam, und die Tage sind lang. Mein Pferd ist tot, es war mir immer ein guter Kamerad. Immer muss ich daran denken, was es bei dir zu essen gab, und frage daher immer öfter

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