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Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick deWitt
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für dich auszahlte.«
    »Jetzt bin ich also nicht nur ein Trunkenbold, sondern auch ein Geizhals.«
    »Wer kramt jetzt in der Mottenkiste?«
    »Ein versoffener Geizhals. Gibt es etwas Schlimmeres?«
    »Du bist eben nicht mal mit dir selbst einig: ein echter Sturkopf.«
    Er schwankte im Sattel, als hätte er sich eine Kugel eingefangen. »Ein versoffener, geiziger Sturkopf! Muss ich solche Schmähung hinnehmen?« Erst gluckste er vor sich hin, dann fragte er ernst: »Was haben wir eigentlich für den Schwarzen bekommen.«
    »Wir?«, fragte ich zurück und lachte meinerseits.
    Darauf verschärften wir unser Tempo. Charlies Übelkeit hielt sich aber hartnäckig, zweimal erbrach er sich direkt vom Pferd herab. Gibt es eine größere Qual als branntweinkrank im Sattel zu sitzen? Ich muss allerdings zugeben: Mein Bruder ertrug seine Strafe ohne Klage. Trotzdem war mir klar, dass er nur wenige Stunden durchhalten würde. Ihm dürfte es daher ganz recht gewesen sein, als wir am Fuß eines Passes schließlich eine Gruppe Planwagen entdeckten. Scheinbar gleichmütig ritt er darauf zu, aber ich wusste nur zu gut, wie sehr seine geschundenen Eingeweide nach Ruhe verlangten.
    Es waren drei. Drei Wagen, zu einer Wagenburg zusammengeschoben. Wir umkreisten sie einmal, konnten aber außer einem kümmerlichen Lagerfeuer kein Lebenszeichen entdecken. Charlie machte sich mit einem lauten Gruß bemerkbar und erhielt keine Antwort. Er stieg ab und schickte sich an, über eine Deichsel ins Innere des Kreises vorzudringen, als ich sah, wie sich aus einem Planwagen eine Flinte auf ihn richtete, lautlos wie eine Schlange. Charlie starrte auf das dicke Rohr, und ihm muss schwindlig geworden sein bei diesem Anblick. »Schon gut«, sagte er, »schon gut.« Doch der Lauf senkte sich nicht, sondern blieb auf Charlies Stirn fixiert. Ein Junge von vielleicht fünfzehn Jahren kam hervor und musterte uns schweigend. Sein Gesicht starrte vor Dreck, Mund und Nase waren von einem Ausschlag befallen. Doch das allein konnte den höhnischen Zug in seinem Gesicht nicht erklären. Auch war er erstaunlich gelassen, seine Hände waren ruhig und offenbar den Umgang mit der Waffe gewohnt. Unruhig und voller Misstrauen waren allein seine Augen. Kurz und gut, ein höchst ungemütlicher, junger Mann, der nicht zögern würde, meinen Bruder zu töten, sollten wir nicht bald den rechten Ton finden. »Wir kommen in guter Absicht, mein Sohn«, rief ich.
    »Das haben sie beim letzten Mal auch gesagt«, entgegnete der Junge. »Und dann schlagen sie dir auf den Kopf und nehmen deine Kartoffelpuffer mit.«
    »Wir wollen deine Kartoffelpuffer nicht«, sagte Charlie.
    »Das trifft sich gut. Ich habe auch keine mehr.«
    Soweit ich erkennen konnte, war der Junge dem Verhungern nahe, und bot ihm daher von unserem Pökelfleisch an. »Erst heute Morgen in der Stadt gekauft«, sagte ich. »Mehl haben wir auch. Willst du? Pökelfleisch auf Zwieback!«
    »Du lügst«, sagte der Junge. »Es gibt keine Stadt hier. Mein Vater hat eine Woche lang nach etwas zu essen gesucht.«
    Charlie sah mich an. »Gut möglich, dass das der Mann von gestern war. Er sagte doch etwas von einem Sohn, weißt du noch?«
    »Ja, und die Richtung stimmt auch.«
    »Ritt er eine graue Stute?«, fragte der Junge, und auf seinem unschönen Gesicht machte sich Hoffnung breit, was mich alles andere als kalt ließ.
    Charlie nickte. »Graue Stute, das war er. Er hat viel von dir gesprochen und davon, wie stolz er auf dich ist. Aber er war auch sehr besorgt, dass dir nichts passiert. Deshalb seine Eile.«
    »Daddy hat das gesagt?«, fragte der Junge misstrauisch. »Echt wahr?«
    »Aber ja. Er konnte es gar nicht erwarten, wieder bei dir zu sein. Ein Jammer, dass wir ihn erschießen mussten.«
    »W-was?« Aber da hatte ihm Charlie bereits die Flinte abgenommen und ihm mit dem Kolben eins übergezogen. Der Junge plumpste in den Planwagen zurück und war still. »Setz erst mal Kaffee auf«, sagte Charlie und sprang über die Deichsel.

Charlies Lebensgeister waren aus diesem unserem vorerst letzten Abenteuer gestärkt hervorgegangen (der erhöhte Blutdruck hatte den Kater verscheucht), und mit frischem Mut machte er sich an die Zubereitung des Essens. Er war sogar damit einverstanden, dass der Junge auch etwas bekam, nur sollte ich vorher nachsehen, ob er nicht tot war, wovon wir nach dem Schlag mit dem Kolben eigentlich ausgingen. Ich sah also unter der Plane nach. Der Junge lebte noch, hatte sich aufgesetzt und

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