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Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick deWitt
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Hände aus. In ihrer Rechten lag ein kleines Tüchlein, aus demselben Material wie ihr Kleid und mit einer goldenen Bordüre versehen. Ich weiß nicht, warum, aber dieses kleine Stück Stoff hatte etwas Magnetisches. Ich fand es einfach schön anzusehen und musste instinktiv lächeln. Dem Wirt schien es keineswegs anders zu gehen. Nur Charlie wahrte sein typisches, unangenehmes Pokerface.
    »Sind Sie bereit?«, fragte die Frau den Wirt.
    Der Wirt konzentrierte sich so auf das Tüchlein, dass sich sein ganzer Körper verkrampfte. Er nickte und sagte: »Ich bin bereit.«
    Kaum war das Wort gesprochen, begann sich das Tüchlein in der Hand der Frau zu drehen und zu winden und zwischen den Fingern hindurchzugleiten und sich so von der einen in die andere Hand zu schlängeln. Sie machte dies mit so viel Geschick, dass man ihr nicht mit dem Auge folgen konnte. Dann, unvermittelt, ballte sie beide Hände zur Faust und hielt sie dem Wirt hin. »Welche Seite?«, fragte sie ihn.
    »Links«, sagte dieser.
    Die Frau öffnete die linke Hand. Das Tuch war nicht da. Sie öffnete die Rechte, und da war es, das grüne Tüchlein mit dem goldenen Rand, und es entfaltete sich mit der Hand, um glatt auf der Handfläche zu liegen. »Rechts«, sagte sie.
    Der Wirt gab der Frau einen Dollar und sagte: »Noch einmal.«
    Abermals streckte die Frau die Hände aus. »Sind Sie bereit?«
    Er bestätigte das, und sie spielten eine weitere Runde, und diesmal gab ich besser Acht. Das musste der Wirt gemerkt haben, denn am Ende des Spiels, als die Frau ihm ihre geschlossenen Fäuste hinhielt, überließ er mir die Entscheidung, ob sich das Tuch in der linken oder der rechten Hand befand. »Rechts«, sagte ich, aber als die Frau die rechte Hand öffnete, war sie leer. »Links«, sagte sie. Ich zog einen Dollar aus der Tasche, denn ich wollte auch einmal spielen.
    »Moment, ich bin noch nicht fertig«, sagte der Wirt.
    »Nur eine einzige Runde.«
    »Du hast doch gerade erst gespielt.«
    »Wechseln wir ab.«
    Er grunzte. »Ich war derjenige, der sie hierherbestellt hat. Wenn ich fertig bin, bist du dran. Jetzt muss ich mich konzentrieren.« Er gab der Frau den nächsten Dollar. »Okay«, sagte er, und die Hände begannen ihren schlüpfrigen Tanz. Ich begnügte mich also vorerst mit der Zuschauerrolle und richtete meine ganze Aufmerksamkeit auf die Hände der Frau. Ich glaube sogar, ich habe in meinem ganzen Leben noch nie etwas so genau verfolgt. Als sie abrupt innehielt, hätte ich meinen letzten Penny verwettet, dass das Tuch in der linken Hand lag. »Links«, sagte auch der Wirt, und jetzt war ich gespannt. Aber leider, leider war, als die Frau die Linke öffnete, die Linke leer, und der Wirt sprang gequält auf. So komisch es sich anhört, er machte tatsächlich einen kleinen Satz. Ich hingegen verbarg meine Enttäuschung so gut ich konnte, war allerdings ähnlich zerknirscht wie er. Charlie, der alles mit angesehen hatte, war teils belustigt, teils verärgert.
    »Was soll der Scheiß überhaupt?«, fragte er.
    »Man muss herausfinden, wo das Tuch ist«, sagte der Wirt naiv.
    »Schon klar. Und wie oft hast du gewonnen?«
    »Noch nie.«
    »Und wie oft gespielt?«
    »Oft.«
    »Du verschwendest nur dein Geld.«
    »Na und? Hier verschwendet jeder sein Geld.« Er sah uns näher an. »Was wollt ihr Typen eigentlich hier, wenn ich fragen darf? Seid ihr zum Essen hier?«
    »Wir suchen Warm.«
    Der Name löste in ihm offenbar nichts Gutes aus, seine Miene wurde böse. »Ach, wirklich? Wenn ihr ihn findet, bestellt ihm schöne Grüße.« Sein Ton war so verbittert, dass Charlie sich genötigt sah nachzuhaken. »Hast du Streit mit ihm?«
    »Ich habe ihn all die Zeit durchgefüttert. Und nur wegen ein paar Zaubertricks mit Licht und Schatten. Ich hätte wissen müssen, dass er mich am Ende hängen lässt.«
    »Worum ging es denn?«
    »Eine persönliche Sache.«
    »Du solltest ihn an den Leuchtenden Fluss begleiten, stimmt’s?«
    Die Frage war ihm sichtlich unangenehm, deshalb fragte er zurück: »Woher wisst ihr davon?«
    »Wir sind Freunde von Warm«, sagte Charlie.
    »Außer mir hat Warm keine Freunde.«
    »Da täuschst du dich. Uns und Warm verbindet eine langjährige Freundschaft.«
    »Tut mir leid, aber das nehme ich euch nicht ab.«
    »Wir sind seine Freunde«, sagte ich. »Und wir wissen, dass er noch andere Freunde hat. Zum Beispiel hat er erst neulich mit Mr. Morris hier eine Mahlzeit eingenommen.«
    »Was, dieser Lackaffe?«
    »Jetzt sind die beiden,

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