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Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick deWitt
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enthüllen Sie ausgerechnet mir das Geheimnis?«, fragte ich. »Woher wissen Sie, dass ich Ihr Vertrauen nicht missbrauche?« Darauf der Warm: »Ich sagte bereits, wie ich auf Sie gekommen bin. Zur Durchführung meines Vorhabens brauche ich einen zweiten Mann, und ich halte Sie für den Geeigneten.« – »Aber ich werde zurzeit noch dafür bezahlt, Sie zu observieren. Auf dass man Sie später leichter umbringen kann!«, rief ich. – »Das stimmt. Ich möchte Sie allerdings eines fragen: Welchen Grund gab der Kommodore Ihnen gegenüber an?« – »Er sagte, Sie seien ein Dieb.« – »Und was soll ich gestohlen haben?« – »Das hat er nicht gesagt.« Da packte den Warm der heilige Zorn. »Natürlich nicht«, rief er. »Denn es wäre so oder so gelogen. In Wahrheit will er mich umbringen, weil ich ihm die Formel für mein Elixier nicht gebe. Vor einem halben Jahr, in Oregon City, schlug ich ihm nämlich ein Geschäft vor, natürlich nicht ohne eine Vorführung ähnlich der, die Sie zu sehen bekommen haben. Das Geschäft sah so aus: Der Kommodore sollte die Goldsuche in Kalifornien finanzieren und bekäme dafür die Hälfte vom Gewinn. Ich hielt dies für ein mehr als faires Angebot. Zunächst war er auch einverstanden und sagte mir seine Unterstützung zu. Nur als ich ihm meine Formel nicht preisgeben wollte, geriet er außer sich und zielte mit einem Revolver auf mich. Glücklicherweise war er zu diesem Zeitpunkt betrunken und konnte kaum die Waffe halten. Als er schwankte, ergriff ich schnell einen Briefbeschwerer und warf damit nach ihm. Treffer! Der Briefbeschwerer traf ihn mitten auf der Stirn, und der schwere Mann ging zu Boden. Ich suchte natürlich schleunigst das Weite, sprang schon in Riesenschritten die Treppe hinab, als er mir nachbrüllte: »So wirst du mich nicht los, Warm. Meine Männer werden dir deine Formel abjagen, und dann bist du geliefert!« Ich zweifelte keine Sekunde daran, dass er es ernst meinte, und war daher auch nicht überrascht, als Sie auftauchten. Eher schon darüber, dass ein Gentleman wie Sie, Mr. Morris, sich einen Beruf daraus gemacht hat, einem Tyrannen und Mörder zu dienen.«
    Seine Geschichte klang wahr, zumal ich mich noch gut an den bandagierten Kopf des Kommodore erinnerte. Die Schilderung des Mannes gab mir zu denken, und zu bedenken gab es einiges, weswegen ich erst einmal ratlos im Zimmer auf und ab lief. Entnervt fragte ich ihn schließlich: »Und was erwarten Sie jetzt von mir? Wie könnte ich Ihnen von Nutzen sein?« – »Ich biete Ihnen an, mein Partner zu werden, geteilt wird fifty-fifty. Sie investieren Ihr ganzes Geld in unser Unternehmen, denn allein die Kosten für unsere Verpflegung übersteigen alles, was ich besitze. Außerdem müssten Sie mir Ihr Hotelzimmer zur Verfügung stellen, damit ich mein Elixier in der erforderlichen Quantität produzieren kann. Es versteht sich von selbst, dass Sie mir nicht nur dabei assistieren, sondern sich auch später in unserem Lager an allen Arbeiten beteiligen. Das Wichtigste aber: Sie sind Gesicht und Stimme unseres Unternehmens, denn anders als ich verstehen Sie es, sich in der Welt zu bewegen. Ihnen obliegen folglich sämtliche Vertrags- und Patentangelegenheiten und was sich der Mensch noch an juristischen Folterwerkzeugen geschaffen hat. Kurz, Sie erledigen alles, was ich erwiesenermaßen nicht kann. Aber das ist Zukunftsmusik, so weit sind wir noch nicht. Zunächst müssen wir in die Wildnis aufbrechen und herausfinden, wie das Verfahren in der Praxis funktioniert. – »Und wie, glauben Sie, wird der Kommodore auf diese neue Geschäftspartnerschaft reagieren?«, fragte ich. »Ist Ihnen klar, was Sie von mir verlangen?« Doch er trat vor mich hin und fasste mich an den Schultern. »Ich weiß es nicht, aber ich weiß, Sie sind nicht der Laufbursche eines Tyrannen, Mr. Morris. Sie sind zu gut dafür. Also schließen Sie sich mir an, und holen Sie sich Ihre Freiheit zurück. Sie haben viel zu gewinnen, und Wohlstand und Reichtum sind dabei noch das Wenigste.« Da wurde mir das Herz sehr schwer, was Warm offenbar nur zu gut begriff und mich deswegen allein ließ, allein mit meinen Gedanken. Er sagte nur, er käme am nächsten Morgen wieder, bis dahin solle ich mich entscheiden. Müde setzte ich mich aufs Bett. Warms Kasten stand noch auf dem Tisch, das letzte Schimmern des Goldes glomm zu mir herüber und erlosch am Ende ganz.
    ★ Stunden später sitze ich immer noch da. Die Antwort steht mir klar vor Augen, denn es

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