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Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick deWitt
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euch ans Leder will.«
    »Und wer schützt uns vor euch?«
    »Jetzt habt euch nicht so«, sagte Charlie, dessen Geduld allmählich zu Ende ging. Doch dasselbe konnte man auch von Warm behaupten, der darauf gar nicht mehr antwortete, sondern nur seine Pistole auf Charlie richtete und sich dabei leicht nach hinten lehnte. Ich wollte schon meine Waffe ziehen, aber das war gar nicht mehr nötig, denn um besser zielen zu können, lehnte sich Warm etwas zu weit nach hinten, verlor das Gleichgewicht und krachte mit einem Salto rückwärts in den Farn am Boden. Der unbewaffnete Morris ergriff sofort die Flucht und suchte Schutz zwischen den Bäumen. Charlie zielte auf ihn, ich hielt ihn zurück. Charlie zog sofort die andere Pistole, doch da war Morris schon weg. Charlie befreite sich von mir, um die Verfolgung aufzunehmen. Da aber Morris’ Vorsprung schon zu groß war, gab er die Idee schnell auf und wandte sich stattdessen der Stelle zu, an der Warm aufgeschlagen war. Indes war auch Warm nicht mehr da, sondern hatte die Gunst des Augenblicks genutzt, um sich unbemerkt zu verdrücken. Charlie sah erst perplex auf den plattgedrückten Farn, dann zu mir. Sein bleiches Gesicht brach in ungläubiges Lachen aus. Die Begegnung mit Warm war, allen Drohgebärden mit gezückten Revolvern zum Trotz, so anders verlaufen, als wir es gewohnt waren, dass sich ihm plötzlich die komische Seite erschloss. Diese Stimmung währte indes nicht lange. Als wir unser Lager erreichten, schäumte er schon wieder vor Wut.

Außerdem war mein Pferd Tub aus unserem Lager verschwunden. Er war so schwach gewesen, dass ich es nicht für nötig gehalten hatte, ihn anzubinden. Offensichtlich war er während unserer Abwesenheit wieder auf die Beine gekommen und hatte das Weite gesucht. Ich folgte der staubigen Blutspur bis auf eine kleine Anhöhe hinauf, hinter der es fast senkrecht bergab ging. Genau dort war er abgerutscht, beinahe fünfzig Meter tief, und erst am Fuß eines großen Mammutbaums zum Stehen gekommen. Allerdings nicht gerade würdevoll, denn seine Beine ragten jetzt in die Luft. Bei diesem Anblick dachte ich mir: Tiere haben auch kein leichtes Leben. Nichts als Schmerz und dauernde Schinderei. Und Sinnlosigkeit. Ich wollte ihm hinterherklettern, denn er atmete noch, und es war nur fair, ihm den Gnadenschuss zu geben, aber seine stille Pferdemiene sagte mir, dass der Tod schon bei ihm war. Ich kehrte deshalb ins Lager zurück, wo Charlie gerade größeren Mengen Munition zusammensuchte.
    Der Tod meines Pferdes Tub war insofern von Vorteil, als er Charlie etwas ablenkte, der natürlich um mein Wohlergehen besorgt war und mir Mut zusprach und sagte, mein nächstes Pferd müsse ich nicht allein bezahlen. Außerdem sollte es mindestens genau so gut sein wie sein Pferd Nimble oder besser. Es tat gut, ihn so ernst und nachdenklich zu erleben, doch eigentlich war ich gar nicht so unglücklich über den Tod meines Pferdes Tub. Es war gerade so, als sei mit seinem Leben auch mein Mitgefühl für ihn erloschen, und so freute ich mich jetzt auf ein Dasein ohne ihn. Er war zweifellos ein liebes und gutes Tier gewesen, doch am Ende eben auch eine Last, wodurch wir nicht mehr recht zusammenpassten. Erst Monate später wurde mir ganz anders, wenn ich an ihn dachte, und dieses Gefühl habe ich immer noch, aber damals, als er starb, verspürte ich eher Erleichterung.
    »Sollen wir?«, fragte Charlie.
    Ich nickte. Und obwohl ich die Antwort schon kannte, fragte ich dennoch: »Wie gehen wir jetzt vor?«
    »Mit Gewalt. Sie wollen es nicht anders.«
    »Aber sie müssen doch wissen, dass wir vorhin ihr Leben geschont haben.«
    »Ich hätte sie umgelegt, wenn du mich nicht daran gehindert hättest.«
    »Eben. Wir haben es nicht getan.« Da Charlie nichts sagte, sagte ich noch: »Und wenn wir unbewaffnet und mit erhobenen Händen zu ihnen gehen?«
    »Du erwartest auf diese Idee hoffentlich keine Antwort.«
    »Ich erwarte, dass wir jede Möglichkeit in Betracht ziehen.«
    »Aber es gibt nur zwei. Möglichkeiten. Entweder wir lassen sie in Ruhe, oder wir statten ihnen einen weiteren Besuch ab. Aber wenn wir ihnen einen weiteren Besuch abstatten, müssen wir sie auch umlegen. Vergiss nicht: Wenn sie nicht so dämlich gewesen wären, hätten sie uns umgebracht. Und jetzt werden sie erst recht nicht zögern. Morris hat inzwischen garantiert eine Waffe, reden kannst du mit denen nicht mehr.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, es geht nur noch mit der Brechstange,

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