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Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick deWitt
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Bruderherz.«
    »Warum kehren wir nicht nach Mayfield zurück?«, fragte ich.
    »Wir hatten das doch schon«, erwiderte Charlie. »Wenn du gehen willst, geh. Aber dann gehst du bis Sacramento zu Fuß, vorher kriegst du kein neues Pferd. Also entscheide dich. Ich jedenfalls bringe diesen Job hier zu Ende, egal, ob du dabei bist oder nicht.«
    Ich entschied mich, mit Charlie zu gehen, denn ich dachte: Er hat recht. Wir kamen in Frieden, aber sie wollten uns nicht haben. Allein so ein Friedensangebot war mehr, als man von meinem Bruder normalerweise erwarten konnte. Außerdem durften wir uns den Leuchtenden Fluss doch nicht entgehen lassen. Im Übrigen sollte es das letzte Blutvergießen sein, bei dem ich in absehbarer Zeit mitmachen wollte, wenn nicht sogar für den Rest meines Lebens. Das sagte ich auch Charlie, und Charlie sagte, wenn mir das hilft, soll ich mich daran festhalten. »Du hast nur eins vergessen«, fügte er hinzu »Den Kommodore.«
    »Richtig. Dann nach dem Kommodore.«
    Charlie schwieg. »Und natürlich all das, was durch den Tod des Kommodore ausgelöst wird. Man wird uns beschuldigen, hinter der Sache zu stecken, man wird mit uns abrechnen wollen, wir haben uns nicht überall beliebt gemacht. So etwas will geregelt werden. Und das geht leider nicht ohne Blutvergießen.«
    Ich dachte: Na gut, dann ist es eben das letzte Kapitel in meinem Leben, in dem so etwas vorkommt.
    »Es wird bald dunkel«, sagte Charlie. »Wir sollten jetzt zuschlagen, ehe sie abhauen können. Aber diesmal kommen wir von hinten. Du wirst sehen, das ist ein Kinderspiel.« Dann urinierte er in unser Lagerfeuer, und ich beobachtete den sterbenden Widerschein des Feuers auf seinem Gesicht. Er hatte wieder gute Laune. Charlie war immer am fröhlichsten, wenn es etwas zu tun gab.

Wir machten also erst einmal einen großen Bogen um das Lager von Morris und Warm, indem wir uns auf die andere Seite des Flusses schlugen und den Höhenzug entlangschlichen. Von dort konnten wir nicht nur die Glut in ihrer Feuermulde sehen, sondern sogar die Fässer mit der Wunderlösung. Sie standen am Ufer. Eines davon lag auf der Seite und war erkennbar leer, die anderen hingegen waren noch voll. Nur von Morris und Warm oder ihren Tieren fehlte jede Spur, weswegen ich annahm, dass sie sich entweder im Zelt oder im nahe gelegenen Wald versteckten, natürlich bewaffnet und kampfbereit. Das heißt, Morris stellte ich mir in diesem Moment eher als verzagten Hasenfuß vor, der längst alles bereute. Warm hingegen, obwohl ich ihn nicht kannte, schätzte ich härter und verwegener ein. Warm war jemand, der sich etwas abverlangte und von einmal getroffenen Entscheidungen nicht abrückte, komme, was wolle. Aber wie immer es in ihnen aussah, sie selbst blieben verschwunden, und ihr Lager war still wie ein Grab.
    Es war inzwischen Nacht geworden, und auf dem Biberdamm erwachte das Leben. Überall waren plötzlich Biber, fette Kreaturen, das glänzende Fell beschienen vom Mondlicht. Sie glitten ins Wasser, tauchten und kamen wieder an die Wasseroberfläche, wobei sie leise quietschende Laute von sich gaben, die alles bedeuten konnten, Klage oder Ermunterung. Auch an Land waren sie zugange und nahmen mit, was da lag, Äste und Zweige, alles schleppten sie zu ihrem Damm. Und oben auf dem Damm saß der Fetteste von allen und besah sich das Spiel, als habe er die Oberaufsicht. »Das ist der Häuptling«, sagte ich zu Charlie, und er konnte mir nur recht geben, denn er hatte alles mitangesehen.
    Derselbe fette Biber lief dann über den Damm ans Ufer, wo er Boden unter den Füßen hatte, dem er anfangs nicht zu trauen schien. Doch er wurde schnell mutiger und schaute sich bald ohne Scheu im Lager um, wobei er natürlich die Fässer mit der Wunderlösung entdeckte. In das leere Fass steckte er sogar den Kopf, wenn auch nur kurz, denn die Dämpfe waren wohl zu abschreckend. Es hinderte ihn aber nicht daran, es bei den anderen Fässern zu versuchen, wobei er sich auf die Hinterbeine stellte und sich in den oberen Rand verbiss. Ich vermute, er wollte das Fass umwerfen und dann in den Fluss rollen oder ziehen. Ich fand dieses Schauspiel ungeheuer komisch, nur Charlie nicht, der absolut ernst blieb, weil er wusste, dass das unerwünschte Interesse des Bibers an den Fässern auf der gegnerischen Seite, also bei Warm und Morris, irgendeine Reaktion auflösen musste, falls sie in der Nähe waren. Es dauerte nicht lange, bis wir von unten ein leises Klicken hörten, was Charlie

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