Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
harten Winter durchgefüttert haben. Euphorie macht sich breit. Wir leben! Der Verteidiger des Glaubens hat sich seines Titels wieder einmal als würdig erwiesen.
Als wir Dila erreichen, wohin der Hof sich mittlerweile begeben hat, sind mehr als sechs Monate verstrichen. Bei jedem Schritt wächst nicht meine Vorfreude, sondern Angst. Ob Alys die Geburt überlebt hat, und wenn ja, ob sie sich auch gegen Zidanas Nachstellungen zur Wehr setzen konnte?
Es ist eine Qual, nicht gleich zum Harem zu stürzen und nach ihr suchen zu können, und es ist niemand mehr da, den ich gefahrlos nach Neuigkeiten fragen kann. Stattdessen ertappe ich mich dabei, zwischen dem Lager der Soldaten und dem Hof hin- und herzuwandern, während der Sultan den Luxus seines lange erwarteten Dampfbades genießt. Weder dem einen noch dem anderen gehöre ich wirklich an. Überall feiern Familien und Freunde das Wiedersehen, oder man hört Trauerklagen, wenn die Nachricht über gefallene Krieger überbracht wird. Ob ich tot oder lebendig bin, interessiert niemanden, und ich komme mir vor wie ein Gespenst, als ich durch die Anlage irre.
»Du siehst so verloren aus, Nus-Nus.«
Ich drehe mich um. Es ist Malik, der Koch. Wir umarmen uns wie alte Freunde. Und das sind wir tatsächlich. Nachdem ich eben noch todtraurig war, breitet sich jetzt Hochstimmung in mir aus. Wir hören gar nicht mehr auf zu grinsen.
»Komm«, sagt er schließlich. »In meinem Ofen schmort das Lamm für das Abendessen des Herrschers, und dazu gibt es den Lieblingscouscous Seiner Hoheit mit Kürbis und Kichererbsen. Sieht aus, als könntest du etwas zu essen vertragen.« Er schiebt mich etwas von sich weg und betrachtet mich mit geneigtem Kopf. »Du hast dich verändert, weißt du das? Du hast abgenommen, obwohl du schon vorher nicht viel auf den Rippen hattest, und du siehst älter aus.«
»Vielen Dank.«
»Es steht dir. Außerdem ist es normal, wenn man einen Krieg mitgemacht hat. So etwas härtet vermutlich ab. Jedenfalls ist der Hohe Atlas im Winter nicht das, was ich unter Vergnügen verstehe.« Er führt mich in das längliche Zelt, das als Küche fungiert. Hier ist es heiß, und es geht geschäftig zu. Die würzigen Schwaden lassen mir das Wasser im Mund zusammenlaufen; immer wieder muss ich schlucken, um nicht zu sabbern wie ein Hund. Ich nehme auf einem Hocker Platz, während er etwas klein hackt, Befehle ruft und in den Töpfen rührt. Am Ende bringt er mir eine Schüssel voll Couscous, überhäuft mit frischem Gemüse – Gemüse! zum ersten Mal seit Wochen –, und garniert das Ganze mit einer wundervollen roten Sauce. Sekundenlang sitze ich nur da, halte die Schüssel mit beiden Händen umfasst und betrachte sie. Dunkelrote Tomaten, smaragdgrüne Erbsen, hellbraune Kichererbsen und goldener Kürbis. Nach unserer Winterkost in den eintönigen Bergen ist es ein Fest für die Augen, eine Schatztruhe voller Farben. Ich kann mich kaum dazu durchringen, es zu verderben, indem ich es aufesse, doch dann legt Malik noch ein dampfendes, mit Knoblauch und Safran gewürztes Stück Lamm in die Mitte, und ich falle darüber her, als wäre ich tatsächlich ein Hund.
Er erzählt mir die Neuigkeiten am Hof. Das meiste strömt als unwichtiges Gebrabbel an meinen Ohren vorbei, während ich mich aufs Essen konzentriere, bis plötzlich das Wort Schwan fällt und ich aufhorche. »Was hast du gerade gesagt?«, murmele ich mit vollem Mund.
»Der Weiße Schwan hat ein Kind zur Welt gebracht, über das heftig gestritten wurde.«
Mein Herz schwingt sich auf und schießt herab wie eine Libelle über einem Teich. »Sind Mutter und Kind wohlauf?«, frage ich und versuche, mir nichts anmerken zu lassen.
Malik zuckt die Achseln. »Es gab Gerüchte … Aber davon verstehe ich nichts. Ich glaube schon, dass sie wohlauf ist, wenngleich …« Er hat lockere, bewegliche Gesichtszüge, Falten von weicher Haut bilden sich auf seiner Stirn, wenn er sich konzentriert. Er richtet seinen ruhigen Blick auf mich. »Nimm dich in Acht, Nus-Nus. Böse Zungen behaupten, dass das Kind von dir stammt.«
Ich starre ihn an. »Von mir? Das wäre allerdings ein Wunder.«
Das Stirnrunzeln wird zu einem schrägen, ironischen Lächeln. »Ich weiß es, Nus-Nus, und du weißt es. Trotzdem, pass auf dich auf. Deine Gefühle für sie sind nicht unbemerkt geblieben.«
Ich zwinge mich zu einem Lachen und beuge mich wieder über meinen Couscous, damit er die Wahrheit nicht sieht. Ich esse die ganze Schüssel auf, weit
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