Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
für ihren Kochtopf und frische Leinentücher für das Kind. All das erzählt sie, als wäre es das Vernünftigste und Normalste auf der Welt. Ich starre sie entsetzt an.
»Eine Zeit lang glaubte ich, Euer Affe würde unser Ende sein«, gesteht sie, »aber ohne Amadous Geschick beim Aufstöbern von allem, was essbar ist, weiß ich nicht, was aus uns geworden wäre. Was für ein frecher Räuber! Weiß der Himmel, wie er es geschafft hat, um diese Jahreszeit Orangen und Feigen zu finden.« Als sie lächelt, ist ihr Gesicht wie verwandelt, und einen flüchtigen Augenblick sehe ich die Alys, die ich zurückgelassen habe. Der Anblick zerreißt mir das Herz.
»Ich bin jetzt wieder da.« Ich schlucke. »Und Ismail ebenfalls. Niemand wird es wagen, Euch oder Eurem Kind etwas anzutun. Alles wird gut.«
Sie starrt mich an. »Ich kann hier nicht bleiben. Ihr müsst uns fortbringen! Ismail und Ihr werdet wieder fortgehen, und dann bringen sie uns um.« Sie umklammert meinen Arm mit einer solchen Kraft, dass ich ihre Fingerspitzen bis auf die Knochen spüre. »Bringt uns fort von hier, Nus-Nus, ich bitte Euch.«
Ist das möglich? Verrückte Pläne schwirren mir durch den Kopf – man müsste das verräterisch goldene Haar von Mutter und Kind mit Asche und Wasser dunkel färben, ich selbst bräuchte einen Bart aus Lammwolle; man müsste einen Wächter schmieren – oder fünf oder zehn … aber womit, denn ich habe kein Geld –, der uns ins Lager der Soldaten bringt und noch weiter, zu den Marketendern. Und von da ginge es mit einem Maultier oder zweien auf eine weite Reise über Nebenstraßen und durch offenes Gelände nach Meknès, um zu sehen, ob Daniel al-Ribati noch da ist und uns helfen kann, das Land zu verlassen … Fast hätte ich mich überredet, dass all das möglich ist, da höre ich den hohen, blechernen Klang der Fassi-Trompeten, die die Ankunft des Sultans verkünden. Ein eisiger Schauer der Feigheit strömt durch meine Adern und löscht meine glühenden Vorstellungen.
»Geht so schnell wie möglich in den Hamam«, sage ich ihr. »Wascht Euch beide gründlich. Ich werde Euch jemanden schicken, eine vertrauenswürdige Dienerin, die Euch beiden saubere Kleidung bringt. Dann müsst Ihr herauskommen und Momo dem Sultan zeigen.«
Tränen steigen ihr in die Augen; sie fängt an zu protestieren.
Ich muss sie schütteln. »Das ist die einzige Möglichkeit, glaubt mir.«
Ich laufe zurück in die Küche. »Malik, ich muss unbedingt mit dir reden!«
Er wirkt beunruhigt. »Der Affe darf hier nicht herein.«
Amadou schnattert aufgeregt: überall Essen. Ich halte ihn so fest, dass er wütend wird und versucht, mich zu beißen. »Malik, wie alt ist deine älteste Tochter?«
»Mamass? Zwölf, fast dreizehn.«
»Perfekt.« Mit einer Hand nehme ich den Beutel an meinem Gürtel ab und schütte den Inhalt auf den Tisch. »Das gehört dir. Alles. Oder leg es für ihre Mitgift beiseite.« Ich erkläre ihm meinen Plan, und er starrt mich nur an. Ich weiß genau, was er denkt. Am Ende wirft er mir einen Blick zu und seufzt, dann steckt er die Münzen in seine Gürteltasche, gibt seiner Mannschaft in der Küche ein paar Anweisungen, wischt sich die Hände an der Schürze ab und verlässt die Küche.
Zwanzig Minuten später ist Amadou sicher an einem Zeltpfosten angebunden, und Mamass trottet neben mir her. Hin und wieder blickt sie entweder misstrauisch oder aufgeregt auf. Es ist eine Ehre, im Harem zu arbeiten, besonders für die Frauen, die dem Sultan einen Sohn geschenkt haben, aber sie weiß nicht, was sie erwarten soll. Schließlich ist sie nicht dumm und hat einiges von ihrem Vater gelernt, der eine gewisse Stellung am Hof innehat.
»Halt die Augen offen und rede nicht zu viel«, schärfe ich ihr ein. »Sei immer freundlich zur Herrscherin und ihrem Gefolge, aber wenn du je das Gefühl hast, dass der Weiße Schwan in Gefahr sein könnte, komm so schnell wie möglich zu mir.«
Sie sieht mit großen Augen über den Stapel von Kleidern, den ihre Mutter uns mitgegeben hat, zu mir auf, Kleider aus Baumwolle, nicht Seide, aber weiß wie Schnee, und nickt feierlich, während sie sich meine Worte einprägt.
Ich warte vor dem Hamam und tue so, als hätte ich hier etwas zu erledigen. Als Alys schließlich auftaucht, stockt mir der Atem. Sie sieht aus wie eine Göttin, ganz in Weiß und Gold, und das Baby auf ihrem Arm wie ein kleiner Engel. Wir sind gerade auf dem Weg zum Hauptpavillon, als wir auf die Entourage des Sultans
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