Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
auf den gewaltigen Anblick der im Bau befindlichen Gebäude, die Steinmetze und Handwerker, Gärtner und ausländischen Sklaven, die sich an den Mauern abplacken. »Das ist … das Werk von Riesen, ja, Sire, in der Tat. Mächtig, massiv … und ambitioniert.«
Ismail senkt den Kopf. Seine Augen sind hell und scharf, wie die eines Falken, der eine Beute entdeckt hat und jeden Augenblick auf sie herabstoßen wird. »Natürlich weckt eine solche Unternehmung viel Eifersucht und Bitterkeit – bestimmt habt auch Ihr bemerkt, wie andere Menschen reagieren, wenn sie Euer Licht heller scheinen sehen als ihr eigenes. Mir bleibt daher nichts anderes übrig, als mein Werk vor den Feinden im eigenen Land zu schützen, Wilden, die nicht so gebildet sind wie Ihr und die Kunst, die sich hier entfaltet, nicht zu schätzen wissen, sondern mich um meine Schöpfungen beneiden. Gegen solche Barbaren muss ich mich bewaffnen, wenn ich nicht will, dass mein Erbe zerstört wird.«
Er bedeutet mir, die Unterhaltung von diesem Punkt an mitzuschreiben. Das Signal ist kaum mehr als das Heben eines Fingers, aber ich bin daran gewöhnt. Schnell mische ich meine Tinte, tauche das Schilfrohr ein und halte es über das Pergament.
»Ich möchte Euch um etwas bitten, Mylord.« Ismail wickelt den Mann geradezu schamlos ein. »Was ich brauche – und was ich in diesem herrlichen Land anders nicht beschaffen kann –, ist etwas, bei dem nur Ihr mir helfen könnt. Wir haben die besten Handwerker in vielen unterschiedlichen Disziplinen, doch niemand kann sich in diesem Punkt mit den Engländern messen.«
»Und was wäre das für ein Punkt, Sire?«
»Nun, Waffen, Mann. Kanonen. Was ich wirklich brauche, um mich gegen die hinterhältigen Berber zu verteidigen, die am liebsten alles in Schutt und Asche legen würden, was ich hier aufbaue, sind zehn der besten englischen Kanonen. Und dazu einen charakterfesten, vertrauenswürdigen Mann, der diesen Auftrag von mir übernimmt und bei den besten Herstellern, deren England sich rühmen kann, eine entsprechende Bestellung aufgibt. Ihr, Percy Kirke, scheint mir ein solch charakterfester und zuverlässiger Bursche zu sein. Könnt Ihr mir als mein guter Freund in dieser Sache helfen?«
Der Oberst macht eine schwungvolle Verbeugung. »Es wäre mir eine große Ehre, Sire.«
Auf Ismails Bitte unterschreibt er meine Notizen, obgleich sie in Arabisch abgefasst sind und alles Mögliche behaupten könnten. Vermutlich werden sie es schon bald tun.
Nachdem er bekommen hat, was er wollte, noch dazu schriftlich, schickt der Sultan den Mann und sein Gefolge mit gefälligen Geschenken und leeren Versprechungen nach Tanger zurück. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der echte Gesandte die Befugnisüberschreitung seines geistlosen Emissärs billigen wird, und habe beinahe Mitleid mit dem Mann.
Und noch immer hält die Dürre an. Die Gebete werden verdoppelt. Ismail ist inzwischen überzeugt, dass derart hohe Temperaturen ein Zeichen für Allahs Zorn sind, obwohl er den Grund dafür nicht zu nennen vermag. Die Kinder der Stadt werden auf die Felder geschickt, um zu tanzen und um Regen zu beten, doch nicht ein einziger Tropfen fällt. Der Sultan kommt zu dem Schluss, dass nun die Verantwortung bei den marabouts und talebs liegen müsse, und verfügt, dass sie ihre Gebete der Lage anpassen und barfüßige Pilgerreisen zu den Schreinen der Heiligen unternehmen sollen. Immer noch kein Regen.
Ismail tobt. Seine gewaltigen unterirdischen Kornkammern, die er unter enormen Kosten wie riesige Katakomben hat anlegen lassen, sind kaum zu einem Zehntel gefüllt. Falls jetzt, Gott behüte, seine Feinde – einer seiner treulosen Brüder, die Berberstämme oder die Ungläubigen – auf die Idee kämen, Meknès zu belagern, würden wir verhungern wie Ratten in einem Eimer. Sein Zorn entlädt sich an den Juden. Er verbannt sie vor die Tore der Stadt, wo sie um Regen beten sollen. Falls Gott sie wirklich als sein auserwähltes Volk betrachtet, wird er sie sicher erhören. Sie dürfen erst zurückkehren, wenn es regnet.
Schließlich bewölkt sich der Himmel, und eine Weile sieht es so aus, als begünstigte Gott tatsächlich die Juden von Meknès, doch dann bricht die Sonne erneut durch die Wolken und brennt so gnadenlos wie eh und je auf die Erde nieder. Auf dem Markt gibt es eine Fleischschwemme, denn in den Dörfern außerhalb von Meknès schlachten die Menschen ihr Vieh, weil sie kein Futter mehr haben, um es
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