Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
aufsuche, komme ich an einer Schlange von Bittstellern vorbei, die vor seinen offiziellen Amtsräumen warten, und finde al-Attar in eine hitzige Diskussion mit zwei Kaufleuten verstrickt. Offensichtlich ist eine wertvolle Ladung französischer Seife gestohlen worden. Der geschädigte Kaufmann, dessen Ware abhandenkam, fuchtelt mit einem Frachtschein herum, aus dem ersichtlich wird, dass seine Ware einen Monat zuvor in Marseille verladen und in Salé gelöscht wurde. »Ein Nest von Vipern und Halsabschneidern!«, schreit er und schlägt sich auf die Brust. »Und dieser … dieser … Dieb …«, er zeigt mit dem Finger auf einen bärtigen Mann, der über die zunehmende Wut seines Gegners grinst, »… hat eine Menge Freunde unter diesen Vipern.« Speichel sprüht durch den Raum. »Er hat sie geschmiert …«
Ben Hadou lacht. »Ich glaube nicht, dass Schlangen sich schmieren lassen, Si Hamed.«
Der Händler fährt unbeeindruckt fort. Seine Karawane sei angeblich in den Wäldern von Mamora überfallen worden, und jetzt sei seine Seife seltsamerweise auf dem souq von Meknès aufgetaucht, wo die Juden sie zu horrenden Preisen verkauften. Er kramt in der Tasche seines Gewandes, holt ein in Papier gewickeltes Stück Seife hervor und hält es ben Hadou unter die Nase. »Aus reinem Olivenöl, mit dem Duft von Lavendel aus der Provence! Ich besitze zusammen mit dem Unternehmen in Marseille das Monopol daran, woher also stammt dann diese Seife?«
Ben Hadou nimmt ihm das Stück ab, wickelt es aus dem Papier und riecht daran. »Lavendel? Riecht eher nach Mandeln. Nach guten marokkanischen Mandeln.«
Nach einer endlosen Einlassung entscheidet er zugunsten des bärtigen Mannes, und Si Hamed geht schrecklich fluchend seines Weges.
»Ich will über deine Blasphemie hinwegsehen«, ruft ihm al-Attar hinterher. Dann wendet er sich dem anderen zu und schüttelt ihm die Hand. »Lass mir eine Kiste davon nach Hause schicken, ja?«
Sie grinsen sich verschwörerisch zu, und dann geht auch der bärtige Kaufmann zufrieden davon. Ben Hadou sieht mich an und hebt eine Braue. Ich hatte mich immer schon gefragt, woher er so viel Geld hat. Sein Gehalt ist nicht gerade bescheiden, doch nicht hoch genug, um zwei Häuser in Meknès und angeblich ein weiteres in Fès zu unterhalten, ganz zu schweigen von den vielen Wüstenkarawanen, die er organisiert.
Natürlich sage ich kein Wort dazu. »Der Sultan verlangt nach Euch, wahrscheinlich will er die Einzelheiten der Gesandtschaft besprechen, Sidi.«
»Wir brechen Ende der Woche auf. Hast du schon gepackt?«, fragt er mich auf dem Weg zum Palast mit ironischem Unterton. Er weiß genau, dass ich so gut wie nichts besitze.
»Ich bin bereit, wenn Ihr das meint.«
»Tinte, Schilfrohr, einen ordentlichen Vorrat an gutem ägyptischem Pergament?«
»Selbstverständlich.«
»Und angemessene Kleidung?«
Ich zucke die Achseln. »Ich bin ein Sklave, ist das wichtig?«
»Das Aussehen ist immer wichtig. Du wirst vor dem König von England und seinem Hofstaat stehen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass du einen guten Eindruck hinterlässt, denn an solchen Äußerlichkeiten werden sie Marokko und die Macht des Sultans messen. Wenn selbst das rangniedrigste Mitglied unserer Gesandtschaft reich gekleidet ist, werden sie unsere Stärke erkennen, und das hilft unserer Verhandlungsposition.«
Das rangniedrigste Mitglied … Dabei hatte ich ben Hadou fast für einen Freund gehalten, ich Esel. Aber als Eunuch und Sklave hat man keine Freunde.
Wir biegen um die Ecke in die schattigen Kolonnaden, die zu den Quartieren des Herrschers führen, als wir einen lauten Tumult hören, der aus dem Harem dringt. Ein endloses Stöhnen und Klagen und über alldem die Schreie einer Frau, die gar nicht mehr verstummen wollen. Wir bleiben stehen und schauen uns an. Es klingt schrecklich. »Vielleicht eine Totgeburt«, sagt al-Attar .
»Oder ein Todesfall.« Ich sehe ihn an, und mein Herz beginnt zu rasen. »Geht Ihr schon mal voraus zu Ismail, ich sehe nach, was da passiert ist.«
Er nickt und geht weiter, sichtlich erleichtert, dass er sich nicht in die chaotische Frauenwelt hinter dem eisernen Tor einmischen muss.
Ich laufe zu dem Haremswächter und frage: »Was geht hier vor?«
Der Wächter – ein großer Asante mit einem Gesicht wie aus Stein gemeißelt – mustert mich kühl. »Hast du einen Passierschein?«
»Der Herrscher schickt mich, um nachzusehen, was vor sich geht«, lüge ich.
Er hält meinem Blick
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