Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
Zielscheibe für Eure Häme zu dienen.«
»Bitte vielmals um Verzeihung, Mylord«, erwidert sie und vollführt einen spöttischen Knicks.
Mylord? Der Mann hebt spöttisch eine Braue. Seine großen Augen, die so schwarz wie Onyx sind, mustern mich von meinem weißen Turban bis zu meinen gelben Pantoffeln aus Fès, und was er sieht, scheint ihn mächtig zu belustigen.
»Verzeiht, Lord … Rowley.« Wie am marokkanischen Hof in Gegenwart eines Vornehmen werfe ich mich, so elegant ich kann, vor ihm nieder, und augenblicklich kommt einer der Hunde näher, beschnüffelt mich neugierig mit seiner nassen Nase und beäugt mich aus seinen hervorquellenden braunen Augen. Er hat irgendetwas so abscheulich Stinkendes gefressen, dass ich den Atem anhalten muss.
Die Damen brechen in schallendes Gelächter aus, und ich frage mich, ob sie über den Hund, über mich oder etwas ganz anderes lachen.
»Bei Fuß, Rufus!«, ruft der Mann, und das kleine Biest verzieht sich. Es folgt eine lange, tiefe Stille, in der ich nur das Pochen meines Blutes in den Ohren höre, und dann das Klacken von Absätzen, die sich auf dem steinernen Boden entfernen. Ich hebe den Kopf, nur wenige Zentimeter, und drehe ihn, bis ich sehen kann, wie die Gruppe den Saal verlässt. Langsam richte ich mich auf den Knien auf und beobachte, wie die vier verschwinden und sich dabei fröhlich unterhalten. Wie unhöflich, denke ich. Doch vielleicht habe ich sie ja auch gekränkt. Ben Hadou hatte recht, als er sagte, dass wir uns mit den Gepflogenheiten am englischen Hof nicht auskennen.
Verärgert mache ich mich auf die Suche nach etwas Essbarem und beschließe, so lange in meinem Zimmer zu bleiben, bis ich weiß, wie man sich in dieser fremden Welt bewegt.
Am nächsten Tag soll die Gesandtschaft bei einem Empfang im Banqueting House dem englischen König offiziell vorgestellt werden. Ben Hadou tobt, weil man ihn gebeten hat, weder die Löwen noch die Strauße oder die übrigen Gastgeschenke mitzubringen. Diese könnten später während einer Privataudienz überreicht werden, heute fände nur eine formelle Zeremonie statt. Offensichtlich sind damit sämtliche Pläne für seinen großen Auftritt vereitelt. Er macht keinen Hehl aus seiner schlechten Laune und lässt uns lange warten, während er sich für das Ereignis herausputzt. Als endlich eine Wolke von duftendem Weihrauch sein Erscheinen ankündigt, sieht er tatsächlich prächtig aus: purpurfarbener Seidenkaftan mit Goldstickereien an Ärmeln, Saum und Hals, dazu ein über die Schultern geworfener Burnus aus weißer Wolle und ein mit roten Perlen besetzter Turban. An der Seite trägt er seinen Krummsäbel aus Damaszenerstahl in einer ledernen Scheide mit goldenen Nähten. Mit Juwelen bestickte babouches aus Ziegenleder schmücken seine Füße. Wir alle haben uns mit unseren besten Kleidern, dem kostbarsten Schmuck und Parfüm geschmückt, soweit vorhanden, doch er beschämt uns alle. Was angesichts seines Hochmuts durchaus beabsichtigt sein dürfte.
Kutschen fahren vor, um uns standesgemäß zu transportieren, doch kaum sind wir eingestiegen und haben eine kurze Strecke zurückgelegt, bleiben sie schon wieder stehen, da wir an unserem Ziel angekommen sind. Während wir aussteigen, verstehe ich, weshalb wir die kleine Entfernung von unseren Gemächern über die King’s Street zu der von Säulen getragenen Fassade des Banqueting House unmöglich zu Fuß hätten gehen können. An der breiten Durchgangsstraße nach Holbein Gate hat sich eine riesige Menschenmenge versammelt, die mit gereckten Hälsen vorwärtsdrängt, um einen Blick auf die fremden Barbaren zu erhaschen, jene Ungeheuer, die seit Jahren ihre Landsleute entführen und als Sklaven verkaufen. Die zudem die Dreistigkeit besaßen, ihre Kolonie in Tanger anzugreifen und hunderte ihrer Soldaten niederzumetzeln. Während die Kutschen vorbeifahren, schiebt sich der Mob vorwärts und droht sogar, die Wächter mit den funkelnden Hellebarden in ihren scharlachroten Uniformen niederzuwalzen. Der Gestank der Menschenmenge – der selbst al-Attars Weihrauch übertrumpft – beeindruckt mich fast genauso wie die Verwünschungen, die sie schreit. Wäscht sich denn niemand in dieser Stadt? Die Verbindung von Gestank und Lärm ist überwältigend, ja zum Fürchten.
»Schwarze Hundesöhne!«, höre ich. »Wilde Heiden!«
»Mörder!«
»Vergewaltiger!«
»Teufel!«
»Barbaren!«
Ich drehe mich zu Hamza um und schreie über den Lärm hinweg: »Sie bellen ja wie
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