Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
Nacht mehr mit seiner Hauptfrau verbracht. Sie verlangt detaillierte Informationen über Ismails Gemütszustand, seine Stimmung, seine Essensgewohnheiten und seine Verdauung. Sie erwartet genaue Berichte über alles, was er zu der englischen Frau äußert. Natürlich befolge ich diesen Befehl nicht vollständig. Zidana macht keinen Unterschied zwischen dem Boten und der Botschaft. Und so berichte ich ihr nur das, was ich für ungefährlich halte, lasse vieles weg und werde aus einer verrückten Laune des Schicksals heraus zu ihrem Sprecher und Vermittler gegenüber ihrer Rivalin.
Zidana ermuntert mich, Alys Swann Arabisch beizubringen – das sie leichter lernt, als ich gedacht hätte –, damit ich mehr Zeit mit ihr verbringe und ihr Vertrauen gewinne, sodass sie das giftige Gebräu trinkt, mit dem Zidana verhindern will, dass sie von Ismail schwanger wird, oder mit dem sie das Kind in ihrem Schoß töten könnte. Diese offensichtliche Komplizenschaft widert mich an, trotzdem freue ich mich auf jeden Besuch und sage mir, dass ich Alys nur dann beschützen kann, wenn ich ihr nahe bin. Doch im Grunde meines Herzens weiß ich, dass ich mir auf fatale Weise selber schade.
Der Standbesitzer, der Sidi Kabours Geschäfte im souq übernommen hat, ein kleiner, dunkler Mann aus Imchil, ist raffiniert und vorsichtig. Wir tun beide so, als wüsste er nicht, für wen ich arbeite, und ich tue so, als verstünde ich nichts von Kräutern, was mich in die Lage versetzt, Fragen stellen zu können. Wenn ich getrocknete Rainfarnblüten oder die Blätter des Wassernabels besorgen soll, die Fehlgeburten und Unterleibsvergiftungen hervorrufen, nehme ich auch roten Klee, getrocknete Himbeerblätter und ein Elixier aus Mönchspfeffer mit, die im Ruf stehen, die Fruchtbarkeit zu verstärken. Manchmal gelingt es mir, das Gebräu auszutauschen, andere Male muss Alys entsorgen oder verstecken, was Zidana ihr schickt. Außerdem habe ich mir von dem Kräuterhändler ein starkes Brechmittel mischen lassen, falls es zum Schlimmsten kommen sollte.
Es ist ein riskantes Spiel: Sollte Alys schwanger werden, weiß Zidana, dass ich sie hintergangen habe, und wird mit Sicherheit versuchen, ihre Rivalin, das ungeborene Kind und auch mich zu töten, andererseits würde es Alys’ Stellung am Hof festigen und dafür sorgen, dass Ismail auf ihr Wohlergehen bedacht ist. Vielleicht würde er ihr sogar erlauben, in einen anderen Gebäudeflügel zu ziehen, weg von Zidanas direktem Einfluss.
Heute hat sie mich gefragt: »Ob sie ihn verzaubert? Kennt sie sich mit einer Form von europäischer Magie aus, die stärker ist als meine?«
Ich bin es nicht gewohnt, dass Zidana sich so verletzlich zeigt. »Soweit ich weiß, nicht«, antworte ich ausweichend. Wenn sie glaubt, dass Alys Zauberkräfte besitzt, wird sie vielleicht etwas vorsichtiger agieren.
»Es sind die Augen«, erklärt sie und dreht eine Runde nach der anderen durchs Zimmer. »Blau. Das ist unnatürlich. Normale Menschen haben keine blauen Augen, das ist einfach scheußlich.«
Ich versichere ihr, dass Ismail den Augen der Engländerin kaum Beachtung schenkt, und das ist der wahrhaftigste Satz, den ich heute gesprochen habe.
»Es kann doch nicht diese krankhaft weiße Haut sein. Dazu kenne ich Ismail zu gut. Er liebt schwarze Frauen.« Sie wölbt ihre üppige Brust. »Er wurde von einer schwarzen Frau erzogen. Seine Mutter hatte genauso dunkle Haut wie du oder ich. Außerdem mag er Frauen, die was auf den Rippen haben. Groß und kräftig müssen sie sein. Sie dagegen ist wie ein Geist, eine Erscheinung, ein schwebendes Gespenst. Warum sollte er mit einer Leiche ins Bett wollen?«
Und so geht es weiter. Insgeheim denke ich, dass Alys aussieht wie einer der Engel auf den Gemälden, die ich in den großen Häusern von Venedig sah, halte aber klugerweise den Mund.
»Selbst wenn sie es schaffen würde, ein Kind zu gebären – kannst du dir vorstellen, wie es aussehen würde? Ich habe selbst einmal Galläpfel mit Arsenpaste vermischt; ich weiß also, was passiert, wenn Schwarz und Weiß aufeinandertreffen. Hat Ismail etwa vor, graue Würmer in die Welt zu setzen?« Zidana hebt die Hände zum Himmel. Ihre Armreifen machen einen ohrenbetäubenden Lärm. »Ach, Thagba, mach ihrem Dasein ein Ende!«
Wenig später erfahre ich den Grund für Ismails Faszination. Eines Abends ruft er mich hinter dem Wandschirm hervor, nachdem er die Vereinigung mit Alys vollzogen hat und noch ehe sie Zeit hatte, sich wieder
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