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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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leisten, so durchschaubar zu sein. Sie zuckt die Achseln, ärgerlich über meine mangelnde Reaktion. »Ich werde dich im Blick behalten, Nus-Nus«, droht sie.
    Es sieht so aus, als wäre ich ein Buch voller klarer Kalligrafien, leicht zu lesen für Leute, die sich mit menschlichen Schwächen auskennen. Das geht nicht: Ich muss aufpassen, meine Gefühle zu verbergen, speziell vor Zidana. Denn sie hat natürlich recht: der Quell der neu entdeckten Kraft, die es mir ermöglicht, aufrechter zu gehen und den Kopf höher zu tragen, speist sich nicht aus Groll oder Rachegefühlen, sondern aus Liebe.
    Ja, es ist Liebe, dieses Gefühl. Ich kann es ruhig zugeben.

TEIL DREI

SECHZEHN
    Safar 1088 AH
    I smail kehrt zu Beginn des Frühjahrs zurück, und nicht in bester Laune: Im Norden ist die Pest ausgebrochen, nachdem Schiffe aus Algier und Tetuan sie eingeschleppt hatten. Der Sultan ist ihr nur knapp entkommen.
    Die Pest. Das Wort verbreitet sich wie ein Lauffeuer am Hof, alle tuscheln darüber. Sie haben Gerüchte von der europäischen Krankheit gehört, die gelegentlich auch als Schwarzer Tod bezeichnet wird. Sie geht einher mit Schüttelfrost, Kopfschmerzen, unerträglichem Durst, Brechreiz und stechenden Schmerzen, gefolgt von geschwollenen Lymphknoten im Lendenbereich und unter den Armen. Eine Dürre hat das Land im Griff, schon jetzt hat jeder Durst, schwitzt oder leidet unter Kopfschmerzen. Zählt man die übliche Palette von Magenproblemen dazu, kann man sich leicht vorstellen, welche Panik uns erfasst hat. Die Frauen im Harem – die nie genug zu tun haben – untersuchen unablässig gegenseitig ihre Körper nach Zeichen der schwarzen Rosen, die angeblich auf der Haut der Erkrankten erscheinen und den Tod ankündigen. Ein blauer Fleck oder ein Moskitostich kann Hysterie auslösen.
    Selbst Ismail ist nicht immun gegen die Paranoia. Aber was sage ich da? Er ist der Schlimmste von allen, trotz der Tatsache, dass der Name eines jeden, der sterben muss, bereits im Buch des Schicksals verzeichnet ist und weder Medizin noch andere Vorkehrungen sein unausweichliches Los verhindern können. Doch jeden Tag schickt man mich zu Doktor Salgado, der seiner eigenen Gesundheit zuliebe seit seinem Zusammenstoß mit unserem Herrscher im letzten Jahr, bei dem er fast das Leben verloren hätte, auf alkoholische Getränke verzichtet. Er soll den Sultan untersuchen, seine Temperatur messen, seine Zunge ansehen, Farbe und Geruch seines Urins und die Konsistenz seines Stuhls kontrollieren. Obwohl der Arzt ihn jedes Mal für gesund erklärt, ruft Ismail anschließend seine Astrologen und Numerologen herbei, damit sie die Vorzeichen deuten und sein Schicksal voraussagen – wirklich bemerkenswert, es fällt unweigerlich günstig aus. Man streut in alle Himmelsrichtungen rund um den Palast Salz aus, um die djenoun daran zu hindern, einzudringen und die Pest mitzubringen, Unheilstifter, die sie nun mal sind. Alle Höfe werden mit Hyazinthen bepflanzt, denn ihr Duft ist dafür bekannt, dass er die Luft reinigt. Ismail befiehlt den talebs , Verse aus dem Koran auf Papierschnipsel zu schreiben, die er dann verschluckt. Er hat Zidana angewiesen, Kräutertees und andere Mittelchen für ihn zuzubereiten. Sie schickt mich fast täglich zum souq , um das eine oder andere zu besorgen, und je näher die Pest im Lauf der nächsten Wochen kommt, umso bizarrer wird die Liste der Zutaten – Chamäleons, Stacheln des Stachelschweins, Krähenfüße, Kristalle und Steine aus dem Himalaja, Lapislazuli aus den Grabkammern der Pharaonen, Hyänenfelle und Spinnennetze. Doch als sie mir aufträgt, die Leiche eines frischbestatteten Kindes zu bringen, weigere ich mich.
    Sie lacht mich aus. »Wenn du es nicht machst, muss ich eben eine andere Möglichkeit finden.«
    Angesichts dieses Erpressungsversuchs senke ich den Kopf, sage jedoch nichts, und sie bedrängt mich nicht weiter. So verlasse ich den Raum in dem Gefühl, ihrem bösen Einfluss entronnen zu sein. Doch am nächsten Tag herrscht großes Wehklagen im Harem: Das Kind einer schwarzen Sklavin ist verschwunden. Mein Blick sucht den von Zidana. Sie hat das ausdruckslos dreiste Gesicht aufgesetzt, das ich nur zu gut kenne, und ich weiß genau, was es bedeutet. In dieser Nacht kann ich nicht schlafen.
    Die Pest zieht über Tanger hinweg und nimmt viele der verhassten Engländer mit, die momentan im Besitz dieses strategischen Hafens und Schlüssels zu den Handelsrouten im Mittelmeer sind. Es war ein Geschenk für

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