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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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über Masken. Zidana ist die Einzige, die sein Essen zubereiten darf. Sie kauert mit gesenktem Kopf vor ihrem Kochtopf, und er sitzt ihr gegenüber und lässt die Gebetsperlen durch seine Hände gleiten. Ein anheimelndes Bild, hätte Zidana nicht einen großen weißen Schnabel vor dem Gesicht, während der Herrscher mit Argusaugen jede ihrer Bewegungen beobachtet. Er isst abseits des Hofes, was bedeutet, dass Amadou und ich dasselbe Privileg genießen. Zwar ist es eintönige Kost – tagein, tagaus Kichererbsen-Couscous –, aber wir werden nicht krank.
    Gerade als es so aussieht, als würde Meknès von der Epidemie verschont, fordert die Pest ihr erstes Opfer im Harem: Fatima. Zuerst kommen die Kopfschmerzen, dann Gliederschmerzen, und noch denkt sich niemand etwas dabei, denn Fatima jammert immer über dies oder das, nur um Aufmerksamkeit zu schinden. Doch als die Schweißausbrüche folgen und schließlich die Eiterbeulen, kann man ihr Geschrei von einem Ende des Palastes bis zum anderen hören. Ismail ist verzweifelt: Sie hat ihm zwei Söhne geschenkt, einer ist schon tot. Er lässt Doktor Salgado kommen, um nach ihr zu sehen.
    Was soll der arme Mann machen? Die Pest hat sich schon tief in ihre Eingeweide gefressen, als er eintrifft. Er legt ihr kalte Umschläge auf die Stirn, lässt sie zur Ader, hüllt sie in kühle Tücher. Als all dies ohne Erfolg bleibt, berät er sich mit Zidana, die eine Zugpaste zubereitet, um die üblen Säfte aus den Beulen zu ziehen. Der Eiter, der herausspritzt, stinkt dermaßen, dass sogar der Arzt sich erbrechen muss. Eine Stunde später ist sie tot, und wie durch eine unerklärliche Koinzidenz auch ihr Sohn. So haben sich alle Thronfolgerpläne des hajib im gleichen Augenblick zerschlagen.
    Als die Nachricht den Sultan erreicht, stürmt er in den Harem, trifft auf Salgado, der gerade eilig den Palast verlassen will, und stößt ihm in einem Anfall von Wahnsinn oder Kummer, weil er sie nicht hat retten können, das Schwert in die Brust.
    So sitzen wir also hier im herrlichsten Palast der Welt in der Falle, umgeben von Tod und Verderben und ohne jemanden, der uns in der Gefahr zur Seite stehen kann.
    Man schickt mich in die Medina, um mit welchen Mitteln auch immer einen anderen europäischen Arzt aufzutun. Ich verlasse den Palast mit meiner kräutergefüllten Vogelmaske und gehe in die Stadt. Sie wirkt seltsam verändert. Der zentrale Platz liegt menschenleer da. Ein paar dürre Katzen schleichen durch die Schatten und miauen klagend, als ich an ihnen vorbeigehe; wilde Hunde liegen erschöpft ineinander verknäult in den Straßen, niemand scheucht sie davon. Ich sehe ein Maultier, das allein durch das verlassene Gewürzviertel irrt: Alle Stände und funduqs sind geschlossen. In den Gassen der Medina gibt es nur ausdruckslose Mauern und verriegelte Türen. Das gesamte Familienleben in marokkanischen Häusern spielt sich hinter diesen geschlossenen Fassaden ab, aber trotzdem herrscht eine unheimliche Stille. Als hätten alle Tauben die Stadt verlassen. Als ich mich der mellah nähere, ertönt plötzlich ein durchdringender Schrei, und mein Herz fängt an zu rasen. Dann biegt eine splitternackte Frau um die Ecke. Eine unbekleidete Frau in der Öffentlichkeit zu sehen ist dermaßen unerhört, dass ich wie angewurzelt stehen bleibe. Sie rennt genau auf mich zu, das schwarze Haar flattert um ihren Kopf, der Mund ist zu einem Schrei geöffnet. Blut rinnt von ihren Wangen, die sie mit ihren eigenen Nägeln zerkratzt hat. Die Zeichen der Pest sind nicht zu übersehen: dunkle Rosen auf Schenkeln und Brüsten. Zu Tode erschrocken presse ich mich gegen eine Wand, und sie rennt blind an mir vorbei.
    Maleeo. Uralte Mutter, beschütze mich.
    Rasch gehe ich weiter zur mellah . Am Haus von Daniel al-Ribati klopfe ich laut an die Tür. Das Geräusch hallt durch die enge Straße und zerreißt die Stille. Ich höre meinen eigenen Atem, der unter der Maske wie ein Röcheln klingt. Eine lange Zeit stehe ich da, warte und höre nichts von drinnen. Dann öffnet sich der Laden eines schmalen Fensters über mir, und ich erkenne undeutlich eine Gestalt. Ich kann nicht sagen, ob es Daniel selbst ist oder ein Mitglied seines Haushalts, bis eine Stimme fragt: »Wer ist da?«
    Ich nehme die Vogelmaske ab, um ihm mein Gesicht zu zeigen, und einen Augenblick später landet ein schwerer Schlüsselbund klappernd zu meinen Füßen. Ich schließe auf und trete in das kühle, dunkle Haus.
    »Du siehst aus wie ein Dämon

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