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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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erreicht«, sagt der Händler. »Und was liegt hinter Marrakesch? Nur Bergstämme, und dann die wilden Männer aus der Wüste. Nus-Nus hat einen anderen Vorschlag für Euch.«
    Ich erkläre meine Mission. Friedrich wirkt skeptisch, und ich kann es ihm nicht verübeln. »Woher das plötzliche Bedürfnis nach einem neuen Arzt? Hat sich Salgado schließlich zu Tode gesoffen? Oder ist auch er der Pest zum Opfer gefallen?«
    Ohne weiter auf die Ursache einzugehen, erkläre ich, dass Salgado nicht mehr unter den Lebenden weilt.
    Er zuckt die Achseln. »Es hat mich ohnehin gewundert, dass er so lange überlebt hat, ehrlich gesagt. Er war im Grunde nur ein Scharlatan.«
    »Würdet Ihr Euch als besseren Arzt als Doktor Salgado bezeichnen?«, frage ich.
    »Das ist keine Kunst. Seine medizinischen Kenntnisse stammten aus einer anderen Zeit. Anderswo auf der Welt werden ungeheure Fortschritte gemacht. Ich versuche, mich auf dem Laufenden zu halten, so gut ich kann. In London gibt es erstaunliche Entdeckungen. Ich hätte nicht übel Lust, mir selbst ein Bild davon zu machen, wozu die Mitglieder der Royal Society im Stande sind. Doch im Augenblick ist eine Schiffspassage aus den von der Pest heimgesuchten marokkanischen Häfen heraus schlichtweg unbezahlbar, und ich fürchte, mir mangelt es an den finanziellen Mitteln für eine Flucht.«
    »Der Sultan wird Euch für Eure Mühe reich entlohnen«, dränge ich.
    Er verschränkt die Finger, stützt das Kinn darauf und seufzt. »Nun, vermutlich ist es kein großer Unterschied, ob man durch das Schwert oder an der Pest stirbt.«
    Er packt nur eine kleine Tasche. Ich selbst werde veranlassen, dass man den Rest seiner Sachen in den Palast schafft. Daniel begleitet uns bis zum Sahat al-Hedim und verabschiedet sich dann mit einer herzlichen Umarmung von uns beiden. »Vergiss nicht, was ich dir gesagt habe, Nus-Nus. Komm bei mir vorbei, wenn du deine Meinung ändern solltest, und ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um dir zu helfen. Aber warte nicht allzu lange. Wenn Sarah beschließt, zu ihrer Schwester nach Tetuan zu ziehen, werde ich sie begleiten.«
    »Geht mit Gott, Daniel.«
    »Du auch, Nus-Nus.«
    Wir sehen ihm noch einen Augenblick nach und gehen dann über den menschenleeren Platz auf den Palast zu. Mein Herz rast, als hätte es sich selbst überholt, als wäre ich bereits auf der Flucht. Plötzlich tun sich unerwartete Möglichkeiten auf, neue Wege, die mein Leben nehmen könnte. Unterwegs sage ich mit gespielter Nonchalance: »Ihr müsst im Lauf Eures Lebens großes Wissen über den menschlichen Körper gesammelt haben …« Dann stocke ich und versuche, meine Frage zu formulieren.
    Er bleibt stehen und sieht mich an. Sein Ausdruck ist unergründlich. »Sprich weiter«, sagt er langsam.
    Ich kann seinem Blick nicht standhalten. Plötzlich überwältigt mich die Scham über meinen Zustand, und ich bringe kein Wort mehr heraus. Schweigend gehen wir weiter zum Bab al-Raïs. Jetzt oder nie. Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen und frage mit heiserer Stimme, bevor wir in Hörweite der Wachen gelangen: »Kennt Ihr Rezepte gegen alle Krankheiten, Doktor? Sagt mir, kann es sein, dass es Heilung für Eunuchen gibt?«
    Er sieht mich aufmerksam an. In seinem Blick liegt eine solch tiefe Wärme, ein solches Verständnis, dass mir unerwartet Tränen in die Augen schießen. »Du verlangst nach einem Wunder, Nus-Nus«, erwidert er sanft.
    Ismail ist beglückt über den Arzt, der allen rät, die Vogelmasken abzulegen, und Geschichten aus der ganzen Welt zu erzählen weiß. Da er sich sowohl mit alten als auch mit neuen Philosophen bestens auskennt, haben die beiden einiges, worüber sie diskutieren und streiten können, sodass für Ablenkung von dem unmittelbaren Schrecken der Pest gesorgt ist.
    Während der Sultan also mit anderen Dingen beschäftigt ist, fasse ich mir ein Herz, solange der Entschluss noch frisch ist, und suche den Harem auf. Am Tor starrt Qarim mich mit hohlen Augen an. Er sieht aus, als habe er seit Tagen nicht geschlafen, aber ich habe es zu eilig, um stehen zu bleiben und mich nach seinem Wohlbefinden zu erkundigen. Als er mich in ein Gespräch verwickeln will, nicke ich ungeduldig und gebe nur knappe Antworten, bis er mich schließlich resigniert passieren lässt.
    Es ist der fünfte Tag, was ich beinahe vergessen hätte. Die Frauen sind mit ihrer Schönheitspflege beschäftigt: Nicht einmal die Pest kann sie davon abhalten, höchstens ist die Atmosphäre ein

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