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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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bewacht werden, soweit ich weiß. Auch Zidanas Ansprüche werden immer größer. Sie hat mich schon unzählige Male zum souq geschickt, um Säcke mit Henna, Olivenseife, pflanzliche Arzneien und andere, größtenteils giftige Substanzen zu kaufen. Dazu kommen Ballen von Seide, Stapel von Kurzwaren und die Suche nach dreißig Näherinnen, die uns in die Berge begleiten sollen, eine Aufgabe, die angesichts der Pest problematischer ist, als man glaubt.
    Nachts liege ich wach und denke stundenlang über Daniel al-Ribatis Worte nach. Wenn ich meiner Sklaverei entfliehen will, ist das die beste Gelegenheit, die ich mir wünschen kann. Schon jetzt herrscht am Hof nur noch Chaos. Fremde gehen ein und aus, Beamte schicken ihre Familien zu Angehörigen in den Süden, wo die Seuche bisher noch nicht gewütet hat, und ich erledige meine Besorgungen außerhalb des Palastes zu allen Stunden des Tages und der Nacht, ohne dass mich jemand aufhält. Ich könnte einfach gehen. Ich könnte Daniel aufsuchen und ihn um Hilfe bitten. Meknès verlassen und nie wieder zurückkehren. Irgendwo anders ein neues Leben beginnen, egal wo. Als freier Mann.
    Eines Morgens, als Ismails Frustration über die vermeintliche Faulheit der Arbeiter einen neuen Höhepunkt erreicht und er eigenhändig einen von ihnen von seinem Arbeitsplatz wegschleift und den hungrigen Löwen vorwirft, die kurzen, blutigen Prozess mit ihm machen, drehen sich meine Gedanken nur noch um Flucht.
    Den ganzen Morgen nagt diese Vorstellung an mir, bis ich es nicht länger aushalte. Kaum hat er mich entlassen, laufe ich in mein Zimmer, öffne die Holztruhe, krame blindwütig durch meine Habseligkeiten und eile wenig später mit einem improvisierten Sack über der Schulter zielbewusst durch den überdachten Gang zum Bab al-Raïs. Ich trage eine Djellaba, unter deren Kapuze ich mich verbergen kann, sobald ich die Medina erreicht habe. Jenseits davon liegt der Rest meines Lebens. In ein Stück Baumwolle aus einem alten Turban habe ich meinen Rumi, meinen Koran, ein sauberes Gewand, ein Paar lange qamis , meine beste Feder und eine kleine Flasche Tinte eingewickelt. Wenn es gar nicht anders geht, kann ich mich als Schreiber oder öffentlicher Briefschreiber verdingen. In einer verborgenen Tasche meines Gürtels befinden sich die wenigen Münzen, die ich besitze. Vielleicht reicht es, um ein Maultier zu kaufen. Was kostet ein Maultier? Ich habe keine Ahnung. Zweifellos mehr als vor der Pest, da so viele verzweifelt versuchen, aus der Stadt zu fliehen. Aber wenn ein Maultier zu teuer ist, denke ich bei mir, dann muss ich eben laufen …
    »Nus-Nus!«
    Die Worte sind kaum hörbar, so atemlos ist sie. Die Hände in die Hüften gestemmt, mit wogender Brust, beugt sie sich einen Augenblick nach vorn, um wieder Luft zu bekommen. Dann richtet sie sich auf und lacht ein bisschen verlegen. »Ich habe dich überall gesucht.«
    Es ist Makarim, das Sklavenmädchen, das Alys zugeteilt wurde.
    Sie streckt mir etwas entgegen, und ich starre auf den Koriander, dessen hübsche Blättchen in der glühenden Mädchenhand welken.
    Koriander.
    Ich versuche, mir das Zittern in der Stimme nicht anmerken zu lassen, und frage: »Ist alles in Ordnung mit deiner Herrin?«
    »Ich weiß nicht. Sie ist nervös. Schreckhaft. Blasser als sonst.«
    Auf dem Rückweg gehen wir an meinem Zimmer vorbei, wo ich meine Sachen ablege. Am Tor zum Harem stoße ich zu meinem Erstaunen nicht auf Qarim, sondern auf einen älteren Wächter – Ibrahim, wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt.
    »Wo ist Qarim?«
    Ibrahim zieht eine Grimasse und fährt mit dem Finger über seine Kehle.
    »Tot?«
    Der Mann grinst mich mit offenem Mund an, sodass ich sehen kann, dass man ihm die Zunge ausgerissen hat. Ich schaudere, nicht wegen der Verstümmelung, daran bin ich gewöhnt, sondern bei der Erinnerung daran, wie krank Qarim wirkte, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, wie er versuchte, mit mir zu sprechen, und wie eilig ich mich an ihm vorbeigedrückt habe. Als ich durch das Tor gehe, murmele ich ein kleines Gebet für seine Seele und hoffe, er verzeiht mir, dass ich ein schlechter Freund war.
    Alys ist weiß wie eine Jasminblüte. Als ich mich formell verbeuge, bricht sie in Tränen aus, und das habe ich bei ihr noch nie erlebt. Ich runzele die Stirn. »Warum habt Ihr mich rufen lassen?« Plötzlich fühle ich mich so gekränkt wie der djinn in der Lampe, der ohne Grund in seiner Ruhe gestört wurde.
    Mit zitternder Hand weist sie auf

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