Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
das bewusst ist und dass er in Wahrheit dabei ist, den hajib zu ködern, der ihm in der Schlacht ohnehin kaum von Nutzen wäre. Nachdem er ihn eine Weile hat schmoren lassen, legt Ismail ihm den Arm um die Schultern. »Mach dir keine Sorgen, Abdou. Ich werde dich nicht zwingen, mit mir in die Schlacht zu ziehen. Ich bezweifle sogar, dass wir ein Pferd hätten, das kräftig genug ist, um dich zu tragen! Nein, ich brauche jemanden, dem ich die Aufsicht über meinen Hofstaat hier anvertrauen kann, während ich fort bin.«
Abdelaziz fällt erleichtert in sich zusammen. Dann wirft er mir einen scharfen, berechnenden Blick von der Seite zu. Er und ich haben es größtenteils geschafft, uns während der letzten Wochen aus dem Weg zu gehen, oder besser gesagt, ich bin ihm aus dem Weg gegangen. Doch wenn Ismail und al-Attar nicht mehr da sind, wird niemand mich mehr vor seinen Übergriffen beschützen.
Plötzlich höre ich mich sagen: »Lasst Euren getreuen Diener nicht zurück, o Sonne und Mond von Marokko. Nehmt mich mit. Ich würde mich gern in der Schlacht erproben.«
Abdelaziz wirft mir einen vernichtenden Blick zu. »Unsinn, Nus-Nus! Die Berge sind nichts für Eunuchen, sie sind nicht standhaft genug für die Bedingungen dort, ganz zu schweigen von der Fähigkeit, eine Schlacht zu überleben. Außerdem wird der Herrscher auf seinem Feldzug keinen Hüter des Buches oder Diener der Pantoffeln brauchen!« Er zitiert meine beiden armseligen Titel mit solch schneidendem Sarkasmus, dass sie selbst in meinen Ohren lächerlich klingen.
»Ich glaube nicht, dass Amadou in den Bergen glücklich wäre«, sagt Ismail sanft. Er bückt sich, um den Affen unter dem seidigen Kinn zu kraulen, und der schnattert entzückt. Wäre Ismail Herrscher über ein Königreich der Tiere, wären seine Untertanen und er die glücklichsten Wesen der Welt.
»Ich kann ihn in der Obhut des Weißen Schwans lassen.« An Alys zu denken tut weh. Wenn ich mit dem Heer fortgehe, werde ich sie Abdelaziz und Zidana ausliefern, die sie und ihr Kind mit Freuden tot sähen. »Aber es ist Eure Entscheidung, ob ich gehen oder bleiben soll, Herr.« Als müsste das ausdrücklich betont werden.
Er wirkt nachdenklich. »Ich werde dich zu einem bukhari machen, Nus-Nus. Du siehst zumindest aus wie einer.« Dann nimmt er den Wesir am Arm, und sie schlendern davon, um irgendwelche logistischen Fragen zu erörtern.
Einen bukhari : Die Vorstellung ist so absurd, dass ich lachen muss. Es scheint, als bekäme der Krieger in mir doch noch eine Gelegenheit, sich zu bewähren.
Am Tag vor dem Abmarsch nähert sich eine Nomadenfrau mit ihrer kleinen Ziegenherde unserem Lager. Jedes Tier trägt ein kleines silbernes Amulett um den Hals, was für erhebliche Belustigung und einige Spekulationen sorgt. »Sie ist gar keine Frau, sondern eine Hexe, und das sind ihre auf der Reise verkleideten Kinder.«
»Nein, das sind die Seelen verzauberter Männer, die sie in den Ziegenkörpern eingeschlossen hat«, erklärt jemand anders und macht ein Zeichen gegen den bösen Blick. Ich lächle und denke an Homers Circe.
Ismail, der normalerweise entsetzt über die Vorstellung einer allein reisenden Frau wäre, die obendrein ihr Gesicht offen zur Schau stellt, ist offensichtlich fasziniert. Nomadenfrauen kommunizieren mit Geistern und haben die Gabe, die Zukunft voraussehen zu können; er wiederum lässt sich gern vor einem Feldzug weissagen. Daher behandelt er sie und ihre Schützlinge mit größter Aufmerksamkeit, obwohl sie schon älter und von der Sonne gezeichnet ist. Sie zählt ihm die Namen aller Ziegen auf, einen nach dem anderen, und er wiederholt sie, obwohl es Dutzende sind und alle gleich aussehen: wie schwarze, zottelige Bündel. Sie wirft ein paar Knochen und prophezeit ihm einen leichten Sieg. Dann schenkt sie ihm eins der Amulette, die sie an ihren Gewändern trägt, ein großes silbernes Viereck mit fremdartigen Symbolen, die böse Einflüsse abwehren sollen. Zum Dank küsst er ihr die Hände – eine Geste, die ich bei ihm noch nie beobachtet habe – und überreicht ihr ein großzügiges Geschenk, einen Beutel voller Gold. Er hat ihn Abdelaziz abgenommen, weil er selbst etwas so Vulgäres wie Geld nie bei sich führt.
Als ich sie wieder wegbringe, frage ich, wer sie ist und woher sie kommt. Ihr Name sei Amzir, erzählt sie mir, sie sei eine Targia aus dem tinariwen , der Wüste. Lippen und die Augenränder sind mit blauschwarzen Tätowierungen bedeckt, außerdem trägt sie
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