Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
schweren Silberschmuck an den Ohren, um den Hals und an den Armen und behauptet, keine Angst vor Räubern zu haben. Allmählich frage ich mich, ob sie vielleicht Zauberkräfte hat. Und dann habe ich eine Idee. Als ich sie ihr erläutert und den Preis dafür ausgehandelt habe, grinst sie breit und zeigt mir dabei ihre kräftigen weißen Zähne.
Wir sperren die Ziegen in ben Hadous Zelt; dann führe ich sie zu Zidana. »Das ist Amzir. Sie stammt aus der Großen Wüste und ist wie Ihr eine Herrscherin über die Geister. Ich dachte, Ihr würdet Euch gern mit ihr austauschen.«
Die Herrscherin mustert die Frau von oben bis unten, sichtlich uninteressiert. »Du bist sehr dünn«, meinte sie abschätzig.
Die Targia lächelt. Es ist ein schmales Lächeln, so scharf, dass es einen Knochen zerschneiden könnte. »Und du sehr dick.«
Zidana wirft sich geschmeichelt in die Brust. Als hätte dieser kleine Wortwechsel ihren jeweiligen gesellschaftlichen Rang geklärt, lädt sie die Besucherin mit einer großzügigen Geste ein, Platz zu nehmen, und ruft nach Tee. Sie verbringen einige Zeit damit, die Namen zu vergleichen, die sie für diverse Geister haben, und die Frau aus der Wüste zeigt sich so kenntnisreich, dass Zidana wenig später Symbole in die Erde zeichnet und Amzir sie mit ihren eigenen seltsamen Kombinationen von Kreisen und Linien ergänzt.
»Das wird deine Söhne beschützen«, erklärt die alte Frau am Ende. »Vor Feuer, Flut und Pest.«
»Und Gift?«
Die Alte nickt.
»Und dem Schwert?«
Die Targia fügt ein weiteres Symbol hinzu.
Zidana denkt angestrengt nach. »Es gibt auch noch den Tod durchs Wasser. Oder den Strang …«
»Deine Söhne werden sicher sein …« Amzir hält inne, befragt die Symbole und macht schließlich ein kleines missbilligendes Geräusch.
»Was? Was ist los?«
»Es gibt da eine weiße Frau, eine Fremde …«
Zidana lehnt sich mit zusammengekniffenen Augen zurück. »Sprich weiter.«
»Sie wird ein Kind zur Welt bringen.«
Die Augen weiten sich unmerklich. »Ich kenne die Frau. Wird es ein Junge?«
Die Targia hebt warnend einen Finger. »Nicht so, wie du denkst. Ihr einziges Kind wird sich als Mädchen erweisen, obwohl es zuerst wie ein Junge aussieht.«
Das gefällt Zidana sehr. Sie gluckst. »Ein Junge, der in Wirklichkeit ein Mädchen ist. Ha! Das ist gut. Meine Söhne werden also überleben und ihrem Vater auf den Thron folgen?«
»Solange die weiße Frau am Leben ist, ja.«
Das gefällt ihr schon weniger. Ich halte den Atem an. In meinen Ohren klingt es offensichtlich geflunkert, doch nach einer Weile nickt Zidana nachdenklich und überhäuft die Frau zum Abschied mit Geschenken: Schmuck, Stücke von süß duftendem Amber, Mandelgebäck, Früchte für die Ziegen. Beide wirken äußerst zufrieden mit ihrem Treffen. Als ich mich von der Targia verabschiede, sieht sie mir offen in die Augen und nennt mich dann bei meinem Namen. Nicht Nus-Nus, sondern bei meinem Stammesnamen. Das überrumpelt mich dermaßen, dass ich kaum höre, was sie als Nächstes sagt, und sie bitten muss, es noch einmal zu wiederholen.
»Sei standhaft, du, der du tot und lebendig zugleich bist. Du musst ein Meer überqueren.«
Dann ruft sie ihre Ziegen, die sich munter aus ben Hadous Zelt herausdrängeln, und geht ihres Weges, hinab zum Fluss, dessen süßes Gras noch nicht im Frost erstarrt ist. Ich bleibe allein zurück und sehe ihr stirnrunzelnd nach.
An diesem Nachmittag werde ich zu Ismails – und ich muss in meiner Eitelkeit gestehen, auch meiner eigenen – Genugtuung mit der Uniform der Schwarzen Garde ausgestattet. Sie besteht aus einer scharlachroten Tunika, die mit einer Schärpe aus grüner Baumwolle über einem weißen Hemd und einer weiten Hose zusammengehalten wird. Über die eine Schulter zieht sich ein ledernes Wehrgehänge mit einem kleinen gebogenen Dolch, den wir direkt auf der Brust tragen. Kein Turban, denn Ismail ist überzeugt, dass eine Kopfbedeckung seine bukhari in der Schlacht schwächen würde. Außerdem – wie sollen die Engel sie ins Paradies befördern, wenn sie sie nicht an der Haarsträhne auf dem kahl rasierten Schädel packen können? Ich habe keine Haarsträhne. Ohne den Turban fühlt sich mein nackter Schädel verletzlich und kalt an. Sollte ich auf dem Schlachtfeld sterben, werde ich auf schnellstem Weg in der Hölle landen.
Als ich Amadou zu Alys bringe, erkennt sie mich im ersten Augenblick nicht und steht auf. Es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass
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