Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
beiden jemals unbeaufsichtigt allein ließe. Manchmal stille ich Momo, und Amadou klettert auf meinen Schoß und versucht, an der anderen Brust zu saugen. Wenn ich ihn daran hindere, fängt er ein solches Geschnatter an, dass man meint, ich wollte ihn ermorden. Sein Verhalten stört den Ablauf der Tage und beeinträchtigt meinen inneren Frieden, denn ich weiß, wenn das so weitergeht, werde ich eine schwere Entscheidung treffen müssen.
Es sieht so aus, als ginge die Abwesenheit des Sultans mit einer gewissen Lockerung der strengen Regeln im Harem einher, denn heute erhielt ich Besuch vom Großwesir persönlich, Abdelaziz ben Hafid. Ich bin verblüfft, das muss ich zugeben. Bisher glaubte ich, dass ein Mann mit dem sicheren Tod rechnen muss, wenn er die Frauen des Harems sieht, er aber erklärt mir, dass er mir stellvertretend für den Sultan seine Aufwartung macht und das Kind sehen möchte. Als ich ihm Momo zeige, wirkt er verwirrt und fragt, ob er ihn unbekleidet inspizieren dürfe. Ich habe Angst und lehne ab. Er hat Hände wie eine Frau, dieser Abdelaziz, weiche, fleischige Handflächen, aber darunter verbergen sich Muskeln, und in seinen schwarzen Augen funkelt kühle Entschlossenheit. Ich traue ihm nicht und habe das sichere Gefühl, dass er nur gekommen ist, um uns etwas anzutun. Selbst Amadou mag ihn nicht, fletscht die Zähne und kreischt ihn aus sicherem Abstand an.
Doch mein Widerstand schreckt ihn nicht ab. Er kommt weiter, jedes Mal mit irgendeinem kostbaren Geschenk: Parfümfläschchen, die nach Moschus und Weihrauch riechen, Stücke von süßlich duftendem Bernstein, mit denen ich meine Kleider parfümieren kann, ein aus Frankreich stammendes Kinderbettchen für das Baby, von oben bis unten mit Blattgold verziert. Beim Anblick einer solch absurden Extravaganz muss ich lachen und versuche, es auszuschlagen. »La, bezef, bezef, sidi!« Mittlerweile habe ich ein paar Brocken Arabisch gelernt. » Ja mil … Ganz reizend, aber nein danke.«
Doch er bleibt beharrlich. »Das Kind ist Ismails Sohn und muss entsprechend behandelt werden.« Er zögert. »Es ist doch Ismails Sohn, oder?«
»Natürlich.«
»Ist auch der geringste Zweifel ausgeschlossen? Ich frage nur …«, er breitet entschuldigend die Arme aus, »weil es Gerede gegeben hat.«
»Gerede?«
»Von anderer interessierter Seite.«
Ich verstehe ihn nicht und sage es auch.
»Verzeiht mir meine Unverblümtheit, aber ich hörte unsere Herrscherin Zidana sagen, dass der Sklave Nus-Nus eine gewisse Schwäche für Euch haben soll.« Er beobachtet mich aufmerksam und muss meinen Schock bemerkt haben. Wider Willen erröte ich und spüre, wie die Hitze in mir aufsteigt, als wäre mir die Schuld ins Gesicht geschrieben.
»Nus-Nus ist ein Ehrenmann und leistet dem Herrscher gute Dienste.«
»Da ist man bei Hof allerdings anderer Meinung. Wie es heißt, soll er mit Euch verkehrt haben und das Kind von ihm stammen.«
»Dieses Kind ist der Sohn des Herrschers und von niemand anderem. Im Übrigen ist der Ehrenmann, den Ihr erwähnt habt, meines Wissens kastriert und zu einer solchen Leistung gar nicht fähig.«
Ein unergründlicher Ausdruck huscht über sein Gesicht. Dann sagt er: »Ich glaube Euch, meine Liebe. Doch Zidana ist eine unversöhnliche Feindin und beschäftigt sich mit Hexerei. Wenn Ihr mir Beweise für ihre Machenschaften liefern könntet, würde ich Euch vor ihr beschützen. Das heißt, wenn Ihr und Euer Kind in Sicherheit leben wollt.«
Bis zu seinem nächsten Besuch lässt er eine Woche verstreichen. Die ma’alema kommt im gleichen Moment mit Armen voller Rosmarin, um mein Zelt zu parfümieren. Sie kreischt, zieht ihren Schleier vors Gesicht, macht dann ein großes Getue und setzt sich zwischen uns, als wollte sie mich vor seiner Gegenwart beschützen.
Als er sich entschuldigt und das Zelt verlässt, sagt sie: »Mächtiger Mann. Gefährlich.«
»Ja, ich weiß. Er ist Ismails rechte Hand.«
Sie schüttelt heftig den Kopf. »Nur die rechte Hand meines Herrschers Ismail ist seine rechte Hand. Abdelaziz ben Hafid ist etwas ganz anderes und sollte sich hier nicht blicken lassen.«
Mächtig. Und gefährlich. Ich sollte mir ihre Worte merken. Vielleicht hinderte mich meine englische Erziehung daran, ihn zu tadeln oder seine Gegenwart zu meiden. Es stimmt, ich habe Angst vor Zidana und wäre froh, einen Verbündeten zu haben. Aus irgendeinem Grund ist Momo ganz vernarrt in den Großwesir. Es dauert nicht lange, bis ich weiß, warum. Der
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