Die Sklavin mit den Mandelaugen
schon wieder in seinem Sessel hinter dem Schreibtisch. Eine kleine Weile
sah er mich stumm an. In seinen Augen glomm ein schwacher Funke von Interesse.
Dann stützte er seine Ellbogen auf den Schreibtisch und preßte seine Finger
aneinander.
»Ich möchte Ihnen jetzt meine
Lage erläutern, Mr. Boyd .« Seine Stimme zitterte vor
Nervosität. »Ich handle mit Kunstgegenständen und Antiquitäten, und hier in
meinem Geschäft werden keinerlei Transaktionen vollzogen, die nicht damit in
unmittelbarem Zusammenhang stehen. Ich verstehe allerdings Ihre Neugier, Mr.
Boyd, und ich bin überzeugt, daß sie befriedigt werden kann. Wären Sie
einverstanden, mich heute abend in meinem Haus in Long Island aufzusuchen ?«
»Vielleicht«, brummte ich.
»Wann?«
»Sagen wir — gegen sechs Uhr ?«
»Wie komme ich hin ?«
Er beschrieb mir in
ausführlicher Genauigkeit den Weg nach Oyster Bay und
die Lage seines Hauses.
»Ich hoffe sehr, daß Sie nicht
versuchen mich hinzuhalten, Mr. Corlis«, stellte ich kalt fest.
»Ich kann Ihnen versichern, daß
ich keineswegs die Absicht habe .«
»Und um Ihrer selbst willen,
Mr. Corlis, hoffe ich, daß Sie die Wahrheit sagen.«
»Schön, also bis heute abend,
Mr. Boyd ?« Seine Stimme schwankte noch mehr als zuvor.
»Auf Wiedersehen, Sir.«
»Bis heute abend, Mr. Corlis«,
erwiderte ich höflich. Dann stützte ich mich auf den Schreibtisch und beugte
mich zu ihm hinüber. »Ich hoffe wirklich, daß Sie keine Hintergedanken
verfolgen, mein Freund«, erklärte ich mit einem unmißverständlichen Lächeln, »denn offen gestanden fehlt Ihnen dazu das nötige Kaliber. Ich glaube
kaum, daß es mir Mühe bereiten dürfte, Ihnen beizubringen, wer von uns der
Schlagkräftigere ist .«
Als ich sein Büro verließ,
kauerte er noch immer völlig verschreckt in seinem Sessel.
Kitty Torrence blickte sich
voller Interesse im zweitteuersten Restaurant von Manhattan um und seufzte
glücklich.
»So ein Leben hab’ ich mir
immer gewünscht«, gestand sie. »Es ist unglaublich wohltuend, sich hier
bedienen zu lassen, wenn man wie ich Mittag für Mittag in einem billigen
Selbstbedienungsrestaurant ein frugales Mahl verschlingt .«
»Ich würde sagen, Sie haben Glück,
daß Corlis Ihnen überhaupt ein Gehalt bezahlen kann«, meinte ich. »Haben Sie
jemals erlebt, daß er von dem Trödel in seinem Laden auch nur ein Stück
verkauft hat ?«
»Sagen wir mal so, Mr. Boyd...«
»Danny«, verbesserte ich sie.
»... Danny. Ich arbeite seit
einem Monat bei Corlis, und während der ganzen Zeit habe ich nichts verkauft .« Sie hob ihr drittes Glas Martini und trank einen großen
Schluck. »Sie können mich Kitty nennen«, schlug sie nachdenklich vor. »Wissen
Sie, weshalb ?«
»Sagen Sie’s mir .«
»Weil ich Ihre schwarzen
Gedanken genau kenne und sie Ihnen im Grunde genommen nicht übel nehme. Woraus
besteht das Leben denn schon? Aus Erfahrungen. Wenn Sie mich beim ersten
zärtlichen Kuß« — sie lächelte leicht ironisch — »immer noch steif und förmlich
Miss Torrence nennen würden, müßte ich vor Lachen platzen.« Sie hob wieder ihr
Glas und blickte mich über den Rand einen Augenblick ernst an. »Und Gelächter
ist der Tod der Erotik«, erklärte sie todernst.
Ich starrte sie bewundernd an.
»Woher wissen Sie das alles,
obwohl Sie noch so jung sind ?«
»Ich habe schon in zartem Alter
angefangen, Fragen zu stellen«, antwortete sie. »Ungefähr zu der Zeit, als Sie
zu dem Schluß gelangten, daß ein Bürstenhaarschnitt Sie jünger wirken läßt,
Danny .«
Jetzt war ein Themawechsel
unbedingt angebracht.
»Wie gelingt es Corlis, sein
Geschäft weiterzuführen, wenn er nie etwas verkauft«, fragte ich schnell.
»Das habe ich nicht behauptet«,
erwiderte sie. »Ich sagte, daß ich persönlich noch nichts verkauft habe. Vielleicht
hat Mr. Corlis Millionen Kunden, die per Post bei ihm bestellen und selbst
niemals den Laden betreten. Auf jeden Fall muß er Kunden haben, denn er kauft
ständig neues Zeug ein .«
»Und von wem kauft er es ?«
»Von allen möglichen Leuten«,
antwortete sie mit einem Achselzucken. »Sie sollten mal die Akten sehen, ganz
abgesehen von dem Wirrwarr von Papieren, die er wahllos in seine
Schreibtischschubladen stopft. Rechnungen und Abrechnungen. In dem Büro
herrscht ein wildes Durcheinander, aber er hat ein gutes Gedächtnis, er findet
immer alles wieder .«
»Er kauft wohl in allen Teilen
der Welt ein ?« erkundigte ich mich.
»Natürlich«, bestätigte
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