Die Sklavin mit den Mandelaugen
.«
»Phänomenal«, stellte ich mit
einem ironischen Lachen fest. »Vielleicht Mr. X, der Kopf des großen
internationalen Spionagerings?«
Sie senkte die Lider und trat
einen Augenblick unschlüssig von einem Fuß auf den anderen.
»Er sagt, sein Name sei Abdul
Murad«, bekannte sie dann kleinlaut. »Ich — ich hab’ Ihnen wohl Unrecht getan,
was? Sie haben mich gar nicht zum Narren gehalten ?«
»Sind Sie auch sicher, daß er
nicht nur eine Ausgeburt meiner blühenden Phantasie ist ?« fragte ich kalt. »Vielleicht verschwindet er, wenn Sie mit dem Finger schnalzen .«
»Ich entschuldige mich ja«,
jammerte sie. »Wollen Sie mit ihm sprechen ?«
»Klar, schicken Sie ihn herein .«
Der Mann, der wenige Minuten
später mit entschlossenen Schritten in mein Büro marschierte, war etwa
mittelgroß, doch seine kerzengerade, militärische Haltung ließ ihn größer
erscheinen. Meiner Ansicht nach mußte er ungefähr fünfzig Jahre alt sein. Das
graue Haar war kurz geschnitten, sein Gesicht schmal und streng. In seinen
dunklen Augen spiegelten sich Intelligenz, Entschlossenheit und Hartnäckigkeit.
Ich schätzte ihn als einen Menschen ein, der in unverbrüchlicher Treue zu
seinen Freunden hält, seine Feinde jedoch unerbittlich verfolgt. Und zu meinem
Bedauern glaubte ich seinem Blick entnehmen zu können, daß ich keine Chance
hatte, je sein Freund zu werden.
»Mr. Boyd?« Seine Stimme war
kühl und sachlich. Er sprach fast völlig ohne ausländischen Akzent. »Mein Name
ist Abdul Murad .«
»Guten Tag, Mr. Murad«,
begrüßte ich ihn höflich. »Wollen Sie nicht Platz nehmen ?«
»Ich habe keine Zeit für
Formalitäten und höfliche Floskeln«, versetzte er kurz. »Ich brauche Auskünfte
von Ihnen. Und ich brauche sie rasch .«
»Auskünfte ?« fragte ich. »Worüber?«
»Vor fünf Tagen wurde meine
Tochter entführt«, erwiderte er knapp. »Ich komme gerade von dem winselnden
hündischen Menschen, der einmal mein Geschäftspartner war, von Osman Bey. Er
erklärte mir, daß er nicht gewagt habe, sich an die Polizei zu wenden, da er gefürchtet
habe, damit das Leben meiner Tochter in Gefahr zu bringen, daß er Sie jedoch
engagiert hätte, um Marta zu finden. Sie sind doch Privatdetektiv, nicht wahr ?«
»Und ?« fragte ich.
»Ich möchte wissen, welche
Fortschritte Ihre Ermittlungen gemacht haben, Mr. Boyd. Ich möchte von Ihnen in
aller Ausführlichkeit und Genauigkeit erfahren, was Sie bis jetzt unternommen
und was Sie erreicht haben, wo Sie gewesen sind, welche Leute Sie gesprochen
haben, ob Sie sich irgendwelche Theorien zurechtgelegt haben, kurz, ich möchte
alles wissen.«
»Mr. Murad«, begann ich
vorsichtig. »Zunächst darf ich Ihnen versichern, daß ich volles Verständnis für
Ihre Gefühle habe und mir vorstellen kann, welchen Schock Ihnen die Entführung
Ihrer Tochter versetzt hat. Aber so leid es mir tut, ich kann Ihnen keine
Auskunft geben .«
»Was?« Seine Augen funkelten
zornig. »Was wollen Sie damit sagen, Sie können nicht ?«
»Ich kann Ihnen keinen Bericht
über den Stand meiner Ermittlungen erstatten noch sonst irgendwelche Auskünfte
erteilen, und zwar aus einem guten Grund«, erklärte ich. »Osman Bey ist mein
Klient — nicht Sie .«
»Aber sie ist meine Tochter«,
wandte er wutbebend ein. »Damit ist mir automatisch ein größeres Recht auf
Auskunft eingeräumt als Osman Bey .«
»Sie irren sich«, widersprach
ich wahrheitsgetreu. »Ich darf Ihnen keine Auskunft erteilen. Es tut mir leid,
Mr. Murad, aber es läßt sich nicht ändern .«
Er trat näher an meinen
Schreibtisch heran. Ich spürte beinahe körperlich den Zorn und die
Enttäuschung, die in ihm wühlten.
»Sie werden mir alles erzählen,
was ich wissen will, Mr. Boyd«, sagte er mit leiser, drohender Stimme. »Sonst
werde ich es aus Ihnen herausprügeln .«
Ich öffnete die oberste
Schublade meines Schreibtisches und nahm den .357er Magnum heraus.
»Beruhigen Sie sich, Mr.
Murad«, brummte ich. »Wenn mein Klient mir Anweisung gibt, Ihnen Auskünfte zu
erteilen, dann werde ich mich danach richten. Aber nicht früher.«
Er starrte auf die Waffe in
meiner Hand, und einen Augenblick fürchtete ich fast, er würde sich dadurch von
seinem Entschluß nicht abbringen lassen. Doch dann siegte der gesunde
Menschenverstand.
»Also gut, Boyd«, sagte er mit
gepreßter Stimme. »Im Augenblick kann ich nichts tun. Aber der Tag wird kommen,
denn ich werde dafür sorgen, daß er kommt, an dem die Dinge genau
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