Die Sklavin mit den Mandelaugen
Kitty.
»In Europa, im Nahen und im Fernen Osten. Wenn man sich die Namen auf den
Auftragsbestätigungen ansieht, braucht man gar nicht mehr in die
Geographiestunde zu gehen .«
Ein Kellner nahm ihr leeres
Glas vom Tisch und stellte einen vierten Martini vor
sie hin. Sie lächelte verklärt.
»Ich habe einen Freund, der
auch im Kunsthandel tätig ist«, erklärte ich nachlässig. »Er heißt Osman Bey .«
»Osman Bey?« Einen Augenblick
huschte jener überraschte Ausdruck über Kittys Gesicht, den alle Menschen
annehmen, wenn sie feststellen, wie lächerlich klein die Welt ist. »Mr. Corlis
kauft bei ihm. Ich habe seinen Namen ein paarmal auf Abrechnungen gesehen .«
»Na, so ein Zufall«, stellte
ich erstaunt fest. »Das ist wirklich ulkig .«
Plötzlich flackerte Argwohn in
ihren tiefblauen Augen, und sie maß mich mit einem forschenden Blick.
»Sagen Sie mal, Danny, halten
Sie mich etwa zum besten ?« fragte sie.
»Weshalb sollte ich das tun ?« erwiderte ich mit unschuldigem Gesicht.
»Das weiß ich auch nicht .« Sie biß sich leicht auf die Unterlippe. »Aber ich habe so
ein seltsames Gefühl...«
»Ich glaube, es ist besser, wir
essen jetzt«, unterbrach ich sie. »Das ist schon Ihr vierter Martini .«
»Hören Sie mal, Danny Boyd, Sie
sind ein ganz lausiger Spielverderber«, erklärte sie frostig. »Meinen Sie
vielleicht, ich vertrage keinen Alkohol ?«
Sie trank den Martini mit einem Zug und starrte mich dann unverwandt an. Ihre Augen wirkten
leicht glasig und schienen sich nur mühsam auf einen Punkt konzentrieren zu
können.
»Ist irgend etwas nicht in
Ordnung, Kitty ?« erkundigte ich mich nervös.
»Sie hätten mir doch gleich
reinen Wein einschenken können«, sagte sie vorwurfsvoll. »Da sitzen wir in
einem eleganten Restaurant, und jetzt das ?«
»Was hätte ich Ihnen denn sagen
sollen ?«
»Sehen Sie mal, Danny«, sie
bemühte sich krampfhaft um ein teilnahmsvolles Lächeln, »es macht mir ja
eigentlich nichts aus, daß Sie zwei Köpfe haben, aber verhindern Sie unbedingt,
daß die beiden miteinander sprechen .«
5
Gegen drei Uhr kam ich wieder
in mein Büro zurück. Nach einem üppigen Mittagessen und unter Verzicht auf
weitere Martinis war Kitty Torrence fast wieder nüchtern geworden, als ich sie
in den Antiquitätenladen zurückbrachte. Wir hatten uns für den nächsten Abend
fest verabredet. Ich hatte versprochen, sie gegen acht Uhr in ihrer Wohnung
abzuholen, und diese erfreuliche Aussicht hob meine Stimmung beträchtlich.
Fran Jordan schenkte mir einen
verächtlichen Blick, aus dem klar hervorging, daß es ihr lieber gewesen wäre,
wenn ich ihr an diesem Tag nicht mehr unter die Augen getreten wäre. Kurz
nachdem ich es mir an meinem Schreibtisch bequem gemacht hatte, kam sie in mein
Zimmer. Auf ihrem hübschen Gesicht lag noch immer der Ausdruck unversöhnlichen
Zorns.
»Der Impresario aus dem
Bauchtänzerinnen-Geschäft hat noch nichts von sich hören lassen«, teilte sie
mir eisig mit.
»Nein ?« fragte ich.
»Geben Sie’s doch zu«, forderte
sie mich auf. »Das ist wieder mal einer Ihrer überaus originellen Witze .«
»Nein, wirklich nicht. Der Mann
existiert, ich schwöre es Ihnen«, versicherte ich. »Sehen Sie, die Tochter
seines Geschäftspartners wurde entführt, und Osman Bey wagt nicht, Abdul Murad...«
»Abdul wer?«
»Murad.«
»Ach du heiliger Bimbam!« Fran
betrachtete mich mit einem spöttischen Lächeln. »Und wie heißt die liebe
Tochter? Fatima?«
Hocherhobenen Hauptes, jeder
Zoll eine gekränkte Königin, stakte sie aus meinem Büro.
Ich steckte mir eine Zigarette
an und überlegte, was in letzter Zeit in die Leute gefahren war, mit denen ich
zu tun hatte. Jedesmal, wenn ich den Mund öffnete und nichts sagte als die
lautere Wahrheit, verdächtigten sie mich, ihnen einen Bären aufbinden zu
wollen. Wahrscheinlich lagen die Dinge in der traurigen Wirklichkeit so,
überlegte ich verbittert, daß sie alle mich auf den Arm nahmen. Wenn
mich nicht die herrliche Aussicht, den nächsten Abend in Kitty Torrences
Gesellschaft zu verbringen, aufrecht gehalten hätte, wäre ich an der Welt und
den Menschen verzweifelt.
Fünf Minuten später erschien
Fran mit verstörtem Gesicht wieder in meinem Büro.
»Danny ?« sagte sie mit einem nervösen Lächeln. »Draußen ist jemand, der sofort mit Ihnen
sprechen möchte .«
»Ach, und Namen hat er keinen ?« knurrte ich.
Ihr Lächeln wurde noch
unsicherer.
»Es ist ein Mann
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